Rabenzauber
zogen los und brachten drei weitere Pferde für die Reise zurück, zwei Schlammbraune und einen Grauen.
Damit hatten sie immer noch ein Reittier zu wenig, aber Jes war ohnehin schneller als die meisten Pferde. Keins der neuen Tiere war so gut wie Lehrs Seide, aber sie waren zähe kleine Bergpferde und damit genau das Richtige für ihre Pläne.
Es kam allen wie ein Omen vor, als Alinath und Bandor am Nachmittag mit dem Reisebrot einen halben Tag früher erschienen als versprochen.
»Morgen«, sagte Tier.
12
S ie brachen auf, als die Sonne noch nicht viel mehr als eine schwache Hoffnung am silbrigen Himmel war. Phorans Hengst bockte und tänzelte und tat so, als hätte er Angst vor dem Gepäck, das an seinem Sattel hing. Seraphs Pferd, eines der neuen, wurde daraufhin ebenfalls unruhig.
Sie flüsterte ihm tröstliche Worte zu. Das Tier war ein wenig unerfahren, aber im Prinzip gutmütig, und es beruhigte sich schnell wieder. Anders als Phorans Pferd.
»Schlachtross.« Phoran zuckte resigniert die Schultern, als der Hengst endlich anfing zu gehen, statt zu springen.
»Das war der hier auch«, sagte Tier und zeigte auf Scheck, der angesichts des Verhaltens der beiden anderen Pferde nur mit einem Ohr gezuckt hatte. »Wenn Ihr jemals wirklich in den Krieg ziehen müsst, solltet Ihr vielleicht ein anderes Pferd reiten.«
Phoran lächelte. »Wenn er zu tun hat, beruhigt er sich schnell wieder. Er wollte nur ein wenig vor den Stuten angeben.«
Tier schüttelte den Kopf. »Die Fahlarn ritten Stuten in den Kampf, nur um uns noch mehr Ärger zu machen, weil so viele unserer Adligen auf Hengsten saßen.«
»Davon habe ich gehört«, sagte Phoran. »Aber wenn ich auf einem Wallach oder, noch schlimmer, einer Stute ritte, würde mein Protokollminister den Verstand verlieren.« Er summte vergnügt vor sich hin, als der große Graue sich noch einmal aufbäumte und dann zur Seite tänzelte. »Das mit den
Stuten ist sicher ein guter Grund. Aber Klinge tut, was er tun soll - was im Augenblick vor allem darin besteht, mich wie einen guten Reiter und sich selbst sportlich und teuer aussehen zu lassen.«
Das klang eher geringschätzig, aber Seraph bemerkte, dass die ganze Vorstellung dem jungen Kaiser mindestens ebenso gut gefallen hatte wie seinem Pferd. Und nachdem sie ein paar Stunden unterwegs waren, beruhigte sich der Vollbluthengst bis auf einen Rest von Zappeligkeit.
Hennea beobachtete, wie die Sonne Jes’ dunkles Haar golden und rötlich schimmern ließ, und staunte darüber, welch ein unerwartetes Geschenk er war, ein beinahe unwillkommenes, aber sehr erwünschtes Geschenk.
Jes ging neben Henneas Pferd her, dicht gefolgt von Gura. Das Tempo schien ihm keine Schwierigkeiten zu machen, obwohl die Pferde einen schnellen Schritt anschlugen. Hennea hatte seit dem Nachmittag, als sie seinen Schlaf bewacht hatte, kein persönliches Wort mehr mit ihm gesprochen, aber irgendwie hatte sie das Gefühl, in ihrer Beziehung eine neue Ebene betreten zu haben.
Jetzt gehörte er ihr.
Der natürliche Rhythmus des Reisens ließ die Gruppe in kleine Einheiten zerfallen - Seraph und Tier ritten an der Spitze, dann folgten Phoran, Rinnie, Lehr und Ielian, Toarsen, Kissel und Rufort, und Hennea, Jes und der Hund bildeten die Nachhut.
Hennea konnte hören, dass die Gruppe vor ihnen sich unterhielt, verstand aber nur hin und wieder ein Wort. Da ihr und Jes ein leichter Wind ins Gesicht wehte, würde niemand sonst hören können, was sie und Jes miteinander sprachen.
Aber sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Gewöhnlich fühlte sie sich nicht so unbeholfen, aber in der Nähe von Jes
war das beinahe zu einem vertrauten Zustand geworden. Nicht, dass Hennea sonst wesentlich mehr geredet hätte - wie zum Beispiel Tier -, aber normalerweise fand sie es durchaus angenehm zu schweigen. So war es zumindest bisher gewesen. Jetzt wollte sie mit Jes sprechen, aber sie wusste nicht, was sie sagen sollte, oder wie - also schwieg sie.
Jes tätschelte ihr Knie. »Mach dir nicht so viele Gedanken«, sagte er.
Das kam so unerwartet - obwohl sie nicht hätte sagen können, warum, denn sie wusste immerhin, dass er ein ungewöhnlich starker Empath war -, dass sie lachen musste.
»Ich werde es versuchen«, antwortete sie. Sie konnte sein Gesicht nicht sehen und folglich seine Miene nicht deuten, aber seine Schultern wirkten entspannt und locker. »Es ist nur, dass ich das Gefühl habe, es gäbe viel zu sagen - aber was immer ich mit dir besprechen
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