Rabenzauber
gewesen wäre und mich aufgefangen hätte, ehe ich aufs Pflaster fiel, hätte ich jetzt wahrscheinlich noch schlimmere Kopfschmerzen. Das ist nichts Neues, Liebste. Erzähl uns, was du erfahren hast; wir haben lange genug gewartet.«
17
» E s war einmal …«, begann Seraph. Sie lächelte Tier an, als sie die Worte gebrauchte, mit denen er die meisten Geschichten begann.
Er sah besser aus - er hätte auch kaum schlechter aussehen können, ohne tot zu sein. Als Seraph hatte mit ansehen müssen, wie Phoran ihn halb die Treppe hinaufgetragen hatte, war ihr klar geworden, dass die wenige Zeit noch schneller verstrich als befürchtet.
Sie fasste die Geschichte von Colossae zusammen und ließ so viel Drama aus, wie sie konnte - sie hatte das Gefühl, dass die meisten heute schon genug Aufregung gehabt hatten. Sie sprach auch nicht darüber, dass Hennea und der Rabe das Gleiche waren, aber sie hatte den Eindruck, als hätte Hennea es ebenfalls herausgefunden. Sie würde sich später erkundigen, um sich zu überzeugen, dass Jes Bescheid wusste, und es auch Tier sagen, weil sie keine Geheimnisse vor ihm hatte. Hennea sollte selbst entscheiden, ob sie es irgendwem sonst mitteilen wollte.
Während sie berichtete, blieb Seraphs Blick immer wieder an Tier hängen. Sie gebrauchte ihre neue magische Sichtweise nicht, denn das hätte zu viel Konzentration erfordert, aber sie betrachtete ihn mithilfe ihrer Rabenmagie und musste sich anstrengen, nicht in Panik darüber zu geraten, wie zerbrechlich Tiers Weisung geworden war.
Er ahnte ebenfalls, dass es schlecht aussah - das merkte sie
an den Falten um seine Augen und an der allzu lässigen Pose. Seraph wusste, es würde nicht helfen, die anderen noch mehr in Panik zu versetzen, also rang sie nicht die Hände und wetterte nicht, obwohl sie beides gern getan hätte. Morgen würde Hinnum ihnen helfen, und wenn sie dafür seine geliebte Bibliothek als Geisel nehmen musste. Einen Tag länger konnte Tier noch durchhalten.
Sie beendete ihre Geschichte, dann berichtete sie über Hinnums Ansicht, was den Schatten, den Pirschgänger und das Durcheinander anging, das die Zauberer mit den Mermori und der Bibliothek angerichtet hatten.
»Aha«, sagte Phoran ernst in die folgende Stille hinein. »Mein Onkel hatte also recht. Sie töteten ihre Kinder und retteten die Bücher.«
»Wir sollten gerecht sein«, meinte Tier, der Hinnum sorgfältig beobachtet hatte. Ein Barde, dachte Seraph, konnte Illusionen auf seine eigene Art durchschauen. »Ich nehme an, man hat ihnen gesagt, ihre Familien müssten sterben - und die Bücher hat keiner erwähnt.« Dann lächelte er Seraph an. »Aber das ist nicht alles, was du heute erfahren hast, nicht wahr? Dafür wirkst du viel zu selbstzufrieden, Kaiserin.«
Seraph warf einen Blick zu Hinnum. Sie hatte Hennea die Wahl gelassen, ob sie ihre Vergangenheit enthüllen wollte. Irgendwie kam es ihr falsch vor, dem alten Zauberer nicht das gleiche Recht zu gewähren.
»Stell mich deiner Familie vor«, bat Hinnum.
»Darf ich dir meinen Mann Tieragan, den Barden aus Redern, vorstellen?« Sie bemerkte Ielians Stirnrunzeln und erkannte, dass sie Phoran vielleicht als Ersten hätte nennen sollen. Es war zu spät, diesen Fehler noch zu korrigieren, aber sie führte ihn als Nächsten auf.
»Kaiser?«, fragte der Gelehrte.
Seraph nahm an, es sagte etwas über eine Person aus, wenn ihre Anwesenheit sogar einen so alten Zauberer wie Hinnum schockieren konnte, selbst wenn er den größten Teil von zehn Jahrhunderten in einer Bibliothek vergraben gewesen war. »Ich hatte vergessen, dir von ihm zu erzählen«, sagte Seraph und berichtete schnell, wieso der Kaiser bei ihrer Gruppe war. Als sie fertig war, sah sie sich um und überlegte, wer der Nächste im Rang wäre. Dann gab sie diese Überlegungen als hoffnungslos auf und ging nach dem Alter vor.
Nachdem sie alle vorgestellt hatte - auf Rinnies Beharren sogar Gura -, wandte sie sich wieder Hinnum zu und sagte: »Das ist meine Familie. Familie, darf ich euch Hinnum, den Illusionisten von Colossae, vorstellen?«
»Ich dachte, du hättest gesagt, er sei eine Illusion«, wandte Tier stirnrunzelnd ein. Er starrte Hinnum an. »Er ist wirklich nicht echt, Seraph - das zumindest kann ich erkennen.«
»Das hier ist eine Illusion«, sagte Seraph und deutete auf Hinnums Körper. »Aber der Marionettenspieler ist Hinnum selbst.«
»Du willst sagen, er lebt noch«, flüsterte Hennea.
Seraph sah ein Aufwallen von Gefühlen,
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