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Rabenzauber

Rabenzauber

Titel: Rabenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
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gewesen wäre, hätte sie erkennen müssen, dass es keinen Grund gab, wieso die Bibliothek plötzlich nach Pferd riechen sollte.
    »Ich rieche Blumen«, flüsterte Lehr.
    Sobald er das gesagt hatte, nahm Seraph es ebenfalls wahr. Sie blickte auf, aber keiner der Toten war näher gekommen.
    Ah, dachte sie und wandte sich wieder Lehr zu. Kein Wunder, dass es den Meistern des Pfads so schwergefallen ist, nur die Weisung zu nehmen, kein Wunder, dass es Monate brauchte, Geist von Weisung zu trennen - der Geist ist in das Gewebe der Weisung eingeflochten wie Kett- und Schussfäden.
    Sie hörte das Klirren von aufeinandertreffenden Schwertern, aber als sie aufblickte, konnte sie nichts sehen, das dieses Geräusch verursacht haben könnte - oder den plötzlichen Geruch nach Kampfesschweiß.
    »Keiner seiner Gardisten oder Adligen konnte sich beim Schwert- oder Stabkampf lange gegen ihn halten«, sagte Tier.
    Seraph sah ihn ungläubig an, und ihr wurde klar, dass nicht nur sie den Gebrauch ihrer Magie im Lauf dieser zwanzigjährigen Ehe reduziert hatte - er hatte es ebenfalls getan.
    »Er richtete in jedem Dorf Bibliotheken ein«, sagte Tier, und der Geruch nach Staub und Schimmel setzte sich über den wirklichen Duft der Bibliothek hinweg, in der sie sich befanden und die nur nach Leder, Pergament und Erhaltungszaubern roch. »Und in seiner Hauptstadt sammelte er mehr Bücher, als seit
dieser Zeit am gleichen Ort zu finden waren. Vielleicht war das der Grund für das, was ihm zustieß.«
    In ihrer Ehrfurcht für das versunken, was Tier tat, brauchte Seraph einen Augenblick, um zu erkennen, dass die Schnur von Schattenmagie, die sie festgehalten hatte und die Tiers Weisung an den Edelstein band, versuchte, sich ihr zu entziehen - aber bevor sie wieder daran reißen konnte, erkannte sie, dass sich die Schnur nun in die Gegenrichtung bewegte. Weisung und Geist kehrten zu Tier zurück. Seraph ließ sie los.
    »Zeit verging, und der König wurde alt und grau, und seine Söhne wurden stark und weise. Die Menschen warteten ohne Sorgen darauf, dass der alte König sterben und sein ältester Sohn die Krone übernehmen würde.« Tier ließ die Finger kurz ruhen, sodass sein Schweigen wartete, wie die Menschen darauf gewartet hatten, dass der alte König starb.
    Zwei Herzschläge Stille … drei, dann begannen Mollakkorde, ein Widerhall der Melodie, die er am Anfang der Geschichte gespielt hatte. »Eines Abends beschwerte sich der älteste Sohn des Königs über Kopfschmerzen, bevor er zu Bett ging. Am nächsten Tag war er blind und von Pusteln bedeckt, und am Abend war er tot. Die Pest war in den Palast eingedrungen, und bevor sie sich wieder zurückzog, waren auch die Königin und jeder Mann von königlichem Blute tot.« Die vertraute Melodie nahm das Gewicht der Trauer an. Gelegentliche Obertöne klangen wie das Klagen einer Witwe.
    Dann stieß Lehr ein so erstauntes Keuchen aus, dass Seraph den Blick von Tier abwandte, der sie mit der Magie seiner Worte und der Musik in Bann geschlagen hatte.
    Sie sah Hinnum und das Memento, so verschieden von den anderen, die zu Tiers Füßen saßen. Sie sah die Toten. Sie sah ihre Kinder, Phoran und seine Gardisten. Sie sah Gura. Sie sah sie alle im Licht von Geist, Weisung und dem dunklen Kern glitzern, von dem sie annahm, es müsse wohl die Seele sein.

    Und vor ihnen allen, unberührt von Seraphs magischem Sehvermögen, stand Loriel, die Tochter des namenlosen Königs. Seraph hätte nicht sagen können, woher sie wusste, wer diese Person war, nur, dass die Frau, die entdeckt hatte, was aus ihrem Vater geworden war, nun vor ihnen stand. Heraufbeschworen von Tiers Macht, so echt, als wäre sie lebendig. Seraph wurde erschüttert Zeugin, wie Loriel vor den Ungeheuern floh, die nun das Schloss ihres Vaters bewohnten.
    Die Musik wurde militärisch - scharfes Klopfen auf die Oberfläche der Laute klang nach Trommeln und marschierenden Soldaten -, als Tier von der Armee berichtete, die Loriel zusammenrief, eine Armee, deren Kern bis zum Ende weiterkämpfen würde. Plötzlich und misstönend begannen wilde Verzerrungen und hörten unvermittelt wieder auf, gefolgt von einer Kakofonie schrillen Quietschens und Gleitens, als Tier über Loriels Tod sprach. Darunter lag immer noch stetig der Rhythmus des Herzschlags vom namenlosen König.
    Es fiel ihr schwer, die Aufmerksamkeit weiter auf die Wirklichkeit des Banns zu richten, wenn Tiers wohltönender Bariton ihre Aufmerksamkeit forderte. Dennoch, sie

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