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Rabinovici, Doron

Rabinovici, Doron

Titel: Rabinovici, Doron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anderrnorts
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sah
niemand, daß der Elektriker in New York in Wirklichkeit der Trafikant aus Wien
war?
    Gekämmt, gewaschen und frisch
eingekleidet, so empfing sie Felix Rosen. Er hatte diesmal eine Brille auf,
das goldene Modell aus den Achtzigern, die Gläser waren über die Jahre matt
geworden. Das Zimmer war gelüftet worden, das Bett neu bezogen. Er saß
aufrecht, ein wenig angespannt und immer noch blaß und aufgebläht. Die Haltung
tat augenscheinlich weh, aber er ließ sich nichts anmerken. Noa präsentierte
ihren Strauß. Felix lächelte sie an und ergriff ihre Hand. Er habe bereits viel
von ihr gehört.
    Ethan fragte ihn auf deutsch,
ob die Nachtschwester freundlich zu ihm gewesen sei - »sprich hebräisch«, un terbrach ihn Felix, »wir haben
keine Geheimnisse vor Noa.«
    Sie spreche Deutsch, sagte
sie. Sie habe schließlich jahrelang in Wien gelebt. Ihre Sätze - ohne Fehler,
wenn auch mit kehligem Akzent, die Zischlaute tiefer angesetzt und die Vokale
dunkler gefärbt — lösten eine beinah hysterische Euphorie aus. Felix und Dina
konnten ihr Glück kaum fassen. »Was du nicht sagst? Sie kann Deutsch!« Wären
sie auf einen Marsmenschen gestoßen, der Heurigenlieder singt oder Walzer
tanzt, hätten sie nicht überraschter tun können.
    Deutsch zu sprechen galt ihnen
als Auszeichnung. Jahrelang waren ihresgleichen, Juden aus Osterreich, dafür
verachtet worden, immer noch in der Sprache der Mörder zu reden. Den früheren
Nachbarn aus der Ben-Jehuda-Straße haßte Felix jedoch dafür, daß er seit
Jahrzehnten im Land lebte, viel länger als er und Dina, und dennoch nicht
Hebräisch gelernt hatte. Die Ben Jehuda war das Zentrum der deutschsprachigen
Einwanderer in Tel Aviv gewesen. Hier wohnten sie. Hier machte Ethan seine ersten
Schritte. Hier genügte es niemandem, dem Straßennamen das Wort Rechov
voranzustellen. Die Ben Jehuda wurde hebräisch und deutsch eingerahmt. Der
Berliner Hermann Steiger sagte, er wohne in der Rechov-Ben-Jehuda-Straße, und
allein diese Wortwahl machte ihn zum Preußen Judäas, zum zionistischen Piefke,
zum Piefkineser aus Tel Aviv.
    »Wir sind keine Jekkes,
sondern Juden aus Österreich«, erklärte Felix Herrn Steiger. »Wir sind keine
Jekkes, sondem aus Österreich, aus Wien«, wiederholte er vor seinen
Geschäftspartnern, vor dem Gemüsehändler und dem Friseur. Aber was wußten die
schon, die aus dem Irak, aus Jemen oder Marokko hierhergekommen waren? Nebbich.
Für jene war er ein Jekke und würde es bleiben. Selbst die Polischen, die
Tschechischen und die Rumäner machten da keinen großen Unterschied. Die Wiener
selbst nannten die Ben Jehuda den Kanton Ivrit, weil man hier »kan Ton«
Hebräisch hörte.
    In der Buchhandlung am Eck
konnten die Werke Goethes, Schillers und Heines gekauft werden. Herzl und
Freud gab es hier nur im Original. Daneben eine Zahnarztpraxis mit dem
Türschild: »Hier werden alle Sprachen gesprochen!« Eines Tages wagte Felix die
Frage: »Sie sprechen alle Sprachen, Herr Doktor Kohn?« Worauf der Dentist sich
über Felix beugte und sagte: »Ich doch nicht. Aber meine Patienten.«
    Felix und Dina fragten Noa
nach ihren Eltern und Großeltern. Ethan kannte dieses Ritual. Sie taten gerne
so, als wären alle Juden auf der ganzen Welt ein einziges Familienunternehmen. Abba
erkundigte sich nach ihrem Nachnamen, und beide, Mutter und Vater, sahen einander
vieldeutig an. Dina meinte, sie würden Noas Verwandte kennen. Ethan sah zur
Decke und seufzte, doch sie ließen sich nicht beirren. Wo ihre Eltern wohnten?
Was sie beruflich machten? Noa erzählte von der Scheidung, erzählte von ihrem
Großvater, seiner Bäckerei, dem Zuckerwarengeschäft in Jerusalem, von ihrem
Vater, der gemeinsam mit seinem Freund, Menasche Salman, eine Firma für
fotografische und optische Waren besessen hatte.
    »Salman? Der Fotograf? Den
kennen wir gut!«
    »Wirklich? Er ist aber kein
Fotograf.«
    »Was redest du, Felix«, rief
Dina. »Seit wann ist Salman Fotograf?«
    »Ja, heute steht er in seinem
Fotokopierladen! Früher rannte er mit einer Kamera herum.«
    »Was für ein Fotokopierladen«,
widersprach Ethan. »Das ist eine Kette, die optische und elektronische Geräte
verkauft. Die haben Filialen in Haifa, Tel Aviv, in Beer Sheva, in Eilat.
Glaubt ihr etwa, es gibt nur einen Salman in Jerusalem?«
    »Was mischst du dich ein? Was
ist dein Problem? Du kennst doch Salman überhaupt nicht. Das ist der mit der
Glatze ...«
    »Haare hat er tatsächlich
nicht mehr viele«, gab Noa zu.
    »Sag

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