Rabinovici, Doron
sich am Fußteil des Bettes fest.
»Kinder, hört auf zu streiten.«
Eine Krankenschwester kam in
den Raum. Sie kontrollierte die Infusionsflasche, wechselte die Handtücher,
fragte den Kranken, ob er irgendwelche Wünsche habe, und räumte das Essen weg.
Zugleich kam eine Putzfrau ins Zimmer. Sie wischte den Boden und zog sich in
die Toilette zurück, wo sie das Klo und das Waschbecken reinigte. Die drei
Männer verstummten, während die zwei um sie herum arbeiteten. Sie blickten
aneinander vorbei.
Kaum waren die beiden Frauen
verschwunden, fragte Ethan: »Ich will nur eines wissen. Seit wann haben Sie
Kontakt zu meinem Vater?«
»Laß doch gut sein, Ethan. -
Du mußt ihm nicht antworten, Rudi.«
»Ich habe Felix vor Wochen
einen Brief geschrieben.«
»Wieso ist das wichtig«,
seufzte Vater.
»Also schon vor dem Nachruf?«
Klausinger schwieg noch, da
rief Felix: »Ich bitte euch!«
»Wohl schon, ehe Sie sich um
die Stelle in Wien bewarben«, redete Ethan ruhig weiter.
»Was tut das zur Sache?«
stöhnte Felix. Er schaute von einem Moment zum anderen sehr müde aus. »Nimm den
Schleier vom Gesicht, Rudi. Du auch, Ethan. Seht euch an.«
Der Vater schnaufte. Er ächzte
und winselte abwechselnd. Klausinger nahm ein Glas vom Nachttisch und rannte
damit zum Waschbecken, um es für den Kranken zu füllen. Da brüllte Felix: »Ich
kann nicht mehr, Ethan! Verstehst du nicht? ... Frida. Holt sie. Es ist nicht
auszuhalten!« Es brandete in ihm hoch, es überflutete ihn, und dann sein
Schrei, worauf beide, Rudi und Ethan, losrannten, um endlich Hilfe, um endlich
Schwester Frida zu holen.
5
Felix lag ermattet zwischen
den Bettlaken. Über ihm die Infusion. Sie schien weit oben zu schweben. Ein
Ballon, der ihn hinaufzog. Er glitt hoch. Der Schmerz war nicht verschwunden,
aber er zermalmte ihn nicht mehr. Leicht wurde ihm. Wärme durchflutete den
Körper. Sein Gesicht glühte. Der Kopf sank ihm zur Seite. Er wollte nicht mehr
reden. Ethan und Rudi, Rudi und Ethan. Er schaute an ihnen vorbei. Der bloße
Anblick der beiden strengte ihn an. Die Lider wurden schwer und ließen sich
nicht öffnen. Er hörte sich sprechen. »Genug, Kinder.« Es klang dumpf. Irgend
jemand deckte ihn zu.
Ethan starrte den anderen an.
Der beugte sich über Felix. Wie der dem Kranken über die Stirn strich, sein
ganzes Augenmerk auf den Vater richtete. Der Gegenspieler würdigte ihn nicht
eines Blickes. Ethan sagte: »Hören Sie: Mein Vater braucht jetzt Ruhe.«
Im Zimmer wurde es dämmrig. Es
war spät geworden. Noa rief an. Er sah ihren Namen auf dem Display und ging
hinaus. Draußen spazierte ein Patient über den Gang, seine Familie schlich ihm
hinterher. Er hielt sich an dem fahrbaren Infusionsständer fest. Der Kranke
ging voran wie ein Bischof, den metallenen Hirtenstab in der Hand. Eine
Prozession.
Noa fragte: »Wo bleibst du
denn? Das Mobiltelefon hast du ja offenbar gefunden. Noch immer bei Felix?«
Ethan flüsterte. Sie könne
nicht ahnen, wer da sei ... Nein, niemand von der Familie, nein, auch kein
enger Freund. Nein. Rudi KJausinger. Rudi Klausinger! Klausinger ... Ebender
... Der Kerl stehe, während er mit ihr telefoniere, am Krankenbett und
streichle Vater ... Wenn er es doch sage ... Vater sei mit Medikamenten vollgepumpt.
Ethan erzählte von der Schmerzattacke. Vom Anfall ... Klausinger werde einen
neuen Nachruf schreiben. So habe es Vater beschlossen. Eine Art Wiedergutmachung.
Er zischte vor Wut ins Handy:
»Es ist, als wäre er uns hinterhergereist... Ich glaube, er stellt mir nach ...
Zuerst die Bewerbung. Dann der Artikel. Ich bin anscheinend seine ganz
persönliche Leidenschaft.« Und dann noch die Idee des Vaters, fuhr Ethan fort,
dieser Schnösel solle einen zweiten Artikel über Dov verfassen. Bullshit! Dov
sei in den letzten Jahren Ethans enger Freund gewesen. Wenn schon, dann müßte
er über Dov schreiben. Er habe mit ihm viele Abende verbracht. Mit ihm
Veranstaltungen und Diskussionen besucht. Felix hingegen habe Dov seit langer
Zeit kaum je allein getroffen - nur bei größeren Gesellschaften seien sie
einander begegnet.
Noa versuchte, Ethan zu
beruhigen. »Komm nach Hause. Es bringt doch nichts, wenn ihr euch am
Krankenbett anschreit.«
»Erst schmeiße ich den Kerl
aus Abbas Zimmer. Ich lasse Felix nicht mit ihm allein.« Ethan legte auf.
Rudi hatte den ganzen Tag darauf
gewartet, Felix alleine zu treffen. Auf keinen Fall wollte er Aufsehen erregen.
Im Gegenteil. Ethan und Dina auszuweichen und
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