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Rabinovici, Doron

Rabinovici, Doron

Titel: Rabinovici, Doron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anderrnorts
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Waren es die Schmerzmittel? Oder trieb
er — wie früher so oft — seine Scherze? Schon waren Felix die Augen zugefallen,
und er schnarchte leise. Sie gingen zum Lift, fuhren in die Eingangshalle
hinunter und trotteten zum Parkplatz.
    Ethan griff in die Tasche. »Ich
habe mein Telefon vergessen.«
    Das sei doch egal, meinte
Dina. Er komme ja ohnedies am nächsten Tag wieder, doch Ethan reichte Noa
wortlos die Autoschlüssel und rief im Laufen: »Fahrt ohne mich. Ich komme mit
dem Taxi nach. Bald schon.«
    Da stand der andere, kein
Doppelgänger, keine Täuschung. Da war er, der Gegenspieler. Neben Vaters Bett.
Gebräunt, als hätte er ein ganzes Jahr am Strand verbracht, ohne Brille und
auch ganz anders gekleidet als bei jenem Treffen vor wenigen Tagen in Wien.
Felix Rosen schnarchte nicht mehr. Im Gegenteil. Er sah munter aus und
lächelte.
    Ethan starrte ihn an. Er
blickte von Klausinger auf seinen Vater und wieder zurück. Dann trat er auf
den anderen zu. Heiser, ein Zittern in der Stimme, fragte er: »Was machen Sie
denn hier?«
    Klausinger sah zu Boden und
wich einen Schritt zurück. »Es wäre wohl besser, wenn ich gehe.«
    »Am besten wäre es, wenn Sie
nicht hergekommen wären.« Ethan drängte ihn noch weiter zurück.
    »Ich wollte mit Felix allein
sein.«
    »Wozu?«
    »Hör auf, Ethan«, sagte Felix.
    »Weißt du, wer das ist, Abba? -
Lassen Sie meinen Vater in Frieden. Er ist schwer krank.«
    »Rudi, Rudi Klausinger«, sagte
Felix, und diese Worte brachten Ethan zum Schweigen. Hatte der Alte alles arrangiert?
Waren die Schmerzattacken, sein Halluzinieren, sein Einschlummern bloß gespielt
gewesen? Hatte er sie deshalb nach Hause geschickt? War es nur darum gegangen,
eine Verabredung mit Klausinger einzuhalten? Und was wollte der Wiener von
Vater?
    Klausinger stand da,
verstummt, versteinert. Er schaute auf Felix, als erwarte er von ihm eine
Erklärung. Ethan glotzte ihn an. Einen israelischen Geschäftsmann, einen
Überlebenden hatte Klausinger erwähnt, als er vom Geliebten seiner Mutter
gesprochen hatte. Er glaubte doch nicht, ausgerechnet in Felix Rosen diesen
Mann gefunden zu haben?
    »Was macht der hier, Abba?«
    Der Kranke sah ihn
herausfordernd an. Er scheute sich offenbar nicht, dem Sohn entgegenzutreten.
Felix preßte hervor: »Er will den Nachruf auf Dov neu schreiben. Er wird es
tun. Nicht wahr, Rudi?«
    Es war, als begreife
Klausinger nur allmählich, angesprochen zu sein. Er nickte zäh, zog die
Mundwinkel herab und sah grimmig drein.
    »Wie kommt er darauf, Abba?«
    Felix grinste: »Wieso ist das
wichtig?« Und damit war alles gesagt. Felix Rosen hatte es wieder einmal
geschafft, einen Menschen für sich einzunehmen. Er hatte einen seiner Tricks
angewandt, und die gelangen um so besser, wenn nicht gefragt wurde, wie sie
funktionierten. »Wieso ist das wichtig?« Es war wie immer. Felix war in seinem
Element. Er hatte ein Geschäft ausgehandelt. Klausinger, soviel war klar, würde
die Würdigung für den toten Freund neu schreiben. Welcher Preis dafür gefordert
worden war? Das war sein Geheimnis und sollte es bleiben, aber Felix hatte
alles aufgeboten, um eine Lösung zu finden, als ginge es um eine Konzertkarte
für Dina, einen Ausbildungsplatz für Ethan, als brauchte es eine Arbeitsstelle
für den Vater und die Schwester, damit sie nicht deportiert würden, oder als
gälte es wieder, aus dem Sammellager zu fliehen wie damals im Herbst 1941, als
er einem SS-Mann einredete, er sei nur hier, um seinem Bruder eine
Bescheinigung zu bringen, nun würde aber noch ein Papier fehlen, das er holen
müsse. »Und?«
    »Wenn ich aber jetzt
hinausgehe, komme ich gar nicht mehr herein.«
    Da sagte der SS-Mann zum
Torposten: »Siehst du den da? Wenn der zurückkehrt, laß ihn sofort durch«, und
so war Felix Rosen einmal noch entwischt, ehe er Monate später doch verhaftet
und verschleppt wurde.
    Ethan fragte: »Wieso ist
dieser Mann in deinem Zimmer, Abba?«
    »Seit wann muß ich dich
fragen, wer hier hereindarf?« Ethan schrie Klausinger an: »Warum verfolgen Sie
mich? Woher wissen Sie überhaupt, daß mein Vater im Krankenhaus liegt?«
    Klausinger schwieg, aber Felix
meinte ganz ruhig: »Wieso mußt du das wissen? Entscheidend ist doch nur, daß er
jetzt einen Kommentar schreibt, mit dem er alles richtigstellen wird, was dir
so falsch vorkam.«
    »Mir?« Ethan schüttelte den
Kopf. Der Vater hatte hinter seinem Rücken mit seinem Gegenspieler gemeinsame Sache
gemacht. Ihm war übel vor Zorn. Er hielt

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