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Rabinovici, Doron

Rabinovici, Doron

Titel: Rabinovici, Doron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anderrnorts
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dem Lager herausgeholt.
    »Nichts weißt du«, ächzte
Felix Rosen, während Ethan, das Joghurt in der Hand, sich über ihn beugte.
     
    »Er tut so, als hätte ich
keine Ahnung. Ich kenne die Geschichte, wie und von wem er inmitten der
anderen Überlebenden aufgestöbert wurde. Sie wurde mir Dutzende Male erzählt -
von beiden. Glaubt er wirklich, ich werfe Dov vor, ein Rassist gewesen zu sein?
Ich besuche ihn, halte ihm die Hand, stütze ihn, wenn er aufs Klo muß, bringe
ihm die Zeitungen, lese ihm daraus vor. — Ich will ja kein Dankeschön. Ich
mache es, weil ich nicht anders kann. Es ist kein Gefallen für ihn. Es ist eine
Notwendigkeit für mich. Ich bin sein Sohn. Aus. Fertig. Aber seine Angriffe halte
ich nicht mehr aus.«
    Noa hörte zu. Seit einer Woche
sah sie mit an, wie er sein Leben ausgesetzt hatte und nichts anderes mehr tat,
als die Tage bei seinem Vater zu verbringen. Zu ihren Füßen der rotgetigerte
Kater, Tschuptschik.
    Er kochte, während er ihr von
seinem Vater erzählte. Er begann, einen Strudelteig einzurollen, und berichtete
dabei, wie er den Arzt angeschrien hatte, denn es müsse doch eine Ursache für
die Schmerzen geben. Er hackte den Salat und klagte, sein Vater esse nicht genug.
Erst als er ihr den Teller servierte, teilte er ihr mit: »Abba will dich
kennenlernen.« Sie nahm einen Schluck Wasser. Tschuptschik stand auf, rekelte
sich und schlich aus der Küche. Geflatter bei den Wellensittichen. Wieso das
Gespräch auf sie gekommen sei, wollte sie wissen. Sicher werde er bald
vergessen haben, sie sehen zu wollen.
    »Kennst du den Unterschied
zwischen einem Rottweiler und meinem Vater? - Ein Rottweiler läßt manchmal
wieder los.«
    »Das wird sonst über die
jiddische Marne gesagt.«
    »Eben. Mein Vater ist die
Marne aller jiddischen Maines. Meine Mutter hingegen nicht. Sie ist ein
israelischer Panzerkommandeur.«
    Einige Tage später fühlte sich
sein Vater ein wenig besser. »Bring sie mit«, schrie er ins Telefon. »Ich
brauche Abwechslung. Ich glaube, du traust dich nicht, sie mir vorzustellen. Du
fürchtest wohl, ich könnte ihr zu gut gefallen. Hat sie etwa ein Faible für
Hinfällige?«, und ein wenig später rief er nochmals an: »Dein Anblick langweilt
mich noch zu Tode, mein Sohn. Zeig mir deine Freundin, und alles wird wieder
gut.«
    Noa und Ethan fuhren mit Dina
ins Krankenhaus. Die beiden Frauen verstanden sich so prächtig, daß Ethan am
liebsten gleich ausgestiegen wäre. Er steuerte Vaters Wagen, während Noa und
Dina hinten miteinander tratschten und lachten. Auf dem Beifahrersitz lag ein
Strauß Blumen, den Noa besorgt hatte. Die Mutter erzählte, Ethan sei bereits
als Kind ein zerstreuter Professor gewesen, vollkommen anders als Felix. Beide
aber, Vater und Sohn, seien im Grunde treue Seelen, was in stereophones
Frauenlachen mündete.
    Sie fuhren an einem
Hügelplateau vorbei, ein mit Erde bedeckter Müllhaufen, eine künstliche
Erhebung aus Abfällen. Er blickte zur kahlen Anhöhe hinauf. In der Ferne zogen
Kakteenstauden durchs Feld. Grenzmarken früherer arabischer Eigner. Sattes Grün
säumte die Straßen. Kein Haus und kein Garten ohne Blumenhain und Obstbäume.
Da ergoß sich eine Bougainvillea über den Zaun, dort stieg ein Eukalyptus im
Schatten einer Mauer empor. Überall feuerten die Wasserkanonen. Das ganze Land
wurde in Schuß gehalten. Ein ewiger Kampf.
    Das Leben schien hier nur
durch außergewöhnliche Anstrengungen möglich. In Wien war ihm alles leichthin
zugeflossen. Jetzt fand er nicht die Kraft, einen Text zu schreiben oder auch
nur das Institut aufzusuchen. Der Streit mit Rudi Klausinger war ihm nicht mehr
wichtig. Die Auseinandersetzung kaum der Rede wert. Vater hatte recht. Weshalb
hatte er statt der Polemik gegen Klausinger keine Hommage auf Dov Zedek
geschrieben? Wieso war er den Attacken nicht ausgewichen? Als er in das
Krankenhausareal einbog, hatte er für einen kurzen Augenblick das Gefühl, einen
südlichen Zwilling von Klausinger zu erspähen, ein Phänomen, das er von seinen
vielen Reisen kannte, ob in Mumbai, Colombo, Hongkong, in New York, Sofia oder
Marrakesch. Überall fand er - am Straßenrand, im Restaurant, auf dem Flughafen
- einen, der ein dunkleres oder helleres Double eines bekannten Gesichts aus
einem anderen Land zu sein schien. Schon als Bub hatte Ethan solche Visionen
gehabt. Er war überzeugt gewesen, der Portier im Hotel von Delhi sei der
Kellner aus dem Pariser Cafe, wohin sein Vater so gerne ging. Und wieso

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