Rache - 01 - Im Herzen die Rache
glaub ich, in deinem Spind in der Mädchenumkleide gelassen, stimmt’s? Jeder wusste, dass Gabby dort »für den Notfall« immer mehrere Ersatz-Outfits aufbewahrte.
Em schüttelte grinsend den Kopf, während sie rasch eine weitere Nachricht abschickte: Das Kleid ist bestimmt eine gute Wahl. Und offene Haare auch. Ist doch schließlich ’ne Party! Als sie sich kurz umdrehte, um sich BH und Slip zu schnappen, hörte sie schon die nächste Salve Plings.
Oh, endlich, hi!!!!! Okay, Haar auf jeden Fall offen. Sieht heute eh ganz gut aus.
Überlege, ob ich die neue lange Halskette tragen soll, die Mom mir gekauft hat – oder ist das übertrieben?
Ems Lachen klang eher wie ein Stöhnen, als sie tippte: Gabs, ich muss mich jetzt auch mal fertig machen! Halskette hört sich super an. Bis später! Manchmal musste man eben Prioritäten setzen.
Während sie ein langes schwarzes Tanktop aus ihrer Kommode und eine enge Jeans aus dem Schrank holte, blickte sie noch einmal zu ihrem Spiegel hinüber, der von Postkarten, Fotos und Notizzetteln umrahmt war. Auf den meisten Bildern waren Em und Gabby zu sehen.
Gabby war die heimliche Queen der Schule. Klein, aber oho und (dank ihrer obsessiven morgendlichen Beschäftigung mit dem Lockenstab) mit stets perfekt gestylten blonden Locken war sie eindeutig diejenige, die in der Schule den Ton angab. Genau wie ihre Wetterreporter-Mom wirkte sie dabei unheimlich gebildet und makellos und strahlte immer Zuversicht und Optimismus aus. Gabbys Footballstar-Brüder hatten ihr mit ihren ganzen Siegespokalen und Ballkönig-Kronen bereits den Weg an die Spitze der Beliebtheitsskala geebnet – und auch Em profitierte davon. Als sie neu an die Ascension Highschool gekommen waren, wurden sie und Gabby sofort in das soziale Netz der Schule integriert, man lud sie zu Senior-Partys ein und sie durften mit Oberstufenschülern flirten.
Gleich in der neunten Klasse wurde Gabby ins Homecoming-Gremium gewählt, eine Auszeichnung, die zwar offiziell allen Schülern offenstand, inoffiziell aber (bis vor zwei Jahren) den Elft- und Zwölftklässlerinnen vorbehalten gewesen war. Und voriges Jahr hatte Em es geschafft, das Jahrbuch-Komitee endlich wieder auf den richtigen Trichter in Sachen annehmbare AG-Arbeit zu bringen. Sie hatte Notizen, alte Eintrittskarten und Quittungen, Schnappschüsse, Ausschnitte aus Klassenaufsätzen und andere Erinnerungsstücke gesammelt und aus dem Jahrbuch kurzerhand ein Scrapbook gemacht. Gabby war für das Layout zuständig und Em hatte sich die ganzen witzigen Texte ausgedacht und die lustigen Sprüche eingeklebt.
Jetzt ließen sie sich durch das elfte Schuljahr treiben, wie sie es immer geplant hatten: Sie gingen auf Partys, ohne eine persönliche Einladung zu benötigen, lernten für den College-Aufnahmetest, arbeiteten wie die Irren und amüsierten sich wie die Irren (wobei Em Gabby manchmal ans Arbeiten erinnern musste und Gabby Em ans Amüsieren). Sie saßen im angesagteren Teil der Cafeteria und parkten ihre Autos auf dem heiß begehrten Parkplatz vor der Schule.
Dieses Jahr würde man Gabby mit ziemlicher Sicherheit im Jahrbuch zur hübschesten Elftklässlerin küren, während Em als heiße Kandidatin für den Titel »zukünftiger Siegertyp« galt (fragte sich nur, wobei). Es gehörten noch andere Mädchen zu ihrer Clique, Fiona Marcus und Lauren Hobart zum Beispiel, die sie schon ewig kannten, und Jenna Berg, die in der achten Klasse nach Ascension gezogen war und voll auf ihrer Wellenlänge lag. Doch alle wussten, dass die Gab-Em-Connection alles zusammenhielt. Irgendwie glichen die beiden einem Feuerwerk: Sie stiegen gemeinsam in die Höhe, bevor Gabby mit einem lauten Wumm! bunt schillernd explodierte und Em den Himmel als funkelnder Goldregen in ein anderes Licht tauchte.
In letzter Zeit kam sich Em allerdings eher wie eine Handlangerin oder eine persönliche Stilberaterin vor. Denn Gabbys bevorzugte Gesprächsthemen drehten sich in den vergangenen Wochen immer nur um ihre Klamotten, um Zach oder das Frühjahrsfest (das erst in über drei Monaten stattfand!). Erst heute Morgen hatte Gabby Em gebeten, sich doch »bitte mit Zach wegen der Auswahl seiner Weihnachtsgeschenke für mich zu beraten«, und anschließend fünf Vorschläge gemacht, die halbwegs im Rahmen des Realistischen lagen: 1. der edle blaue Schal, den sie auf der Website von Maintenance, ihrem absoluten Lieblingsladen in Boston, entdeckt hatte; 2. ein iPod nano mit Gravur zum Joggen; 3.
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