Rache - 01 - Im Herzen die Rache
schaffte er es gar nicht, diesem klaustrophobischen Gefühl zu entrinnen, dem Druck und der Enge. Dauernd schienen irgendwelche Gestalten am Rande seines Gesichtsfeldes vorbeizuhuschen, doch wenn er genauer hinsah, war da nichts als tiefe Schwärze und immer mehr Schnee, der aus der Dunkelheit hervorwirbelte.
Er hoffte, die Party würde seine schlechte Stimmung vertreiben. Heute würde er sich ein Date für das Footballfest suchen. Er würde eine erstklassige Begleitung auswählen – eine, die die Schlappe vom letzten Jahr wiedergutmachte. Eine, die nicht so übermäßig laut war und die im passenden Moment lächelte und in einem Kleid eine gute Figur abgab. Vielleicht sogar eine, mit der er sich länger als fünfzehn Minuten unterhalten konnte.
Heute Abend hatte Chase vor, das perfekte Mädchen zu finden. Er brauchte das. Und er hatte es verdient.
Als er zum Haus der Minsters einbog, das sich am Ende einer Sackgasse in einem von Ascensions Neubaugebieten befand, war die Party bereits in vollem Gange. So gut wie jedes Licht im Gebäude brannte und in der Auffahrt stand eine Gruppe Raucher, die von einem Bein auf das andere hopsten, um sich warm zu halten. Er lief rasch über den Rasen und trat durch die Haustür in einen weitläufigen, mit Marmor gefliesten Flur. An der Wand hing ein goldgerahmter Spiegel, darunter stand eine lackierte Holzbank.
Wie meistens, wenn er das Haus einer seiner Freunde betrat, überkam Chase einen Augenblick lang so etwas wie Panik. Hier war alles so hübsch und nett und er hatte das Gefühl, nichts anfassen zu dürfen.
Aber nein. Er war schließlich Chase Singer. Und Chase Singer gehörte dazu. Er entledigte sich seiner Jacke, pfefferte sie einen Tick zu heftig auf die Bank, warf einen letzten Blick auf sein Spiegelbild und begann, seine Runde zu drehen.
Eine Gruppe Unterstufenschüler versuchte, ihre Unsicherheit durch übermäßige Lautstärke zu kompensieren. Jenna und Ashley, zwei Cheerleaderinnen, standen mit Taylor, einer Hockeyspielerin, zusammen, und alle drei flirteten mit ein paar augenscheinlich extrem bekifften Lacrosse-Spielern. Aus der Küche spazierte Minster persönlich, der angesichts der Tatsache, dass sein riesiges Haus randvoll mit Ascension-Schülern war, überraschend entspannt wirkte. Die eine Hälfte der Gäste schien Bier aus Plastikbechern zu trinken, während die andere orangerote Bowle zu sich nahm. Man hatte die Beleuchtung gedimmt, sodass alle Räume in schummriges Licht getaucht und voller Schatten waren. Aus einer unsichtbaren Anlage dröhnte Popmusik – hippes Zeug zum Abtanzen – und selbst diejenigen, die nicht tanzten, schienen sich zum Rhythmus der Musik zu bewegen. Alle, die aus der Kälte hereinkamen, brauchten erst einmal einen Moment, um sich zu akklimatisieren und sich in die Hände zu pusten, so als wären sie gerade direkt von einer langen Expedition zurückgekehrt.
Chase entdeckte Zach und Gabby neben dem großen Bierfass und der Bowleschüssel und überflog den Raum auf der Suche nach potenziellen Flirt-Opfern. Es gab durchaus ein paar Möglichkeiten – Jenna und Ashley, natürlich, und ein Trüppchen Zehntklässlerinnen, die sofort anfingen zu kichern, als er das Wohnzimmer durchquerte. Die Sache würde lustig werden. Er grinste.
Er fing an, sich in die Unterhaltungen einzuklinken, die um ihn herum geführt wurden. Doch dann rief Gabby, die mit Zach, Andrea Rubin, Sean Wagner und Nell White zusammenstand, ihn zu sich hinüber.
»Sieh mal, wer hier ist«, sagte Gabby. Einmal hatte sie versucht, Chase und Andrea zu verkuppeln, doch Andrea hatte von Anfang an klargestellt, dass sie nur mit Chase ausgehen würde, wenn er alles bezahlte – was unmöglich war und ihn mehr ärgerte, als er zugab. Er war zwar nicht der allerärmste Typ in Ascension, aber auf jeden Fall der ärmste unter den angesagten. Und er fand es schrecklich, dass die Leute das wussten.
»Ey, Mann!«, rief Zach. »Schnapp dir ein Bier – du hast was aufzuholen!« Er zapfte einen roten Becher voll und reichte ihn Chase, der sofort einen großen Schluck daraus nahm. Irgendwie hatte er das Gefühl, sich heute Abend mehr Mut antrinken zu müssen als sonst.
»Danke, Alter«, sagte er. »Was geht so ab? Wer ist alles da? Wo ist Winters?« Er richtete die Fragen an niemand Bestimmten; Gabby übernahm es zu antworten.
»Wir haben gerade über Millers unmögliche Englischprüfung geredet«, sagte sie. »Und es sind alle da. Na ja, fast jedenfalls. Em wird gleich noch
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