Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rache an Johnny Fry

Rache an Johnny Fry

Titel: Rache an Johnny Fry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
Vom Netzwerk:
anrufen?«
    »Sie hat letzte Nacht angerufen, und ich wollte etwas sagen, konnte es aber nicht. Ich konnte einfach nicht.« Plötzlich hatte ich das Gefühl, weinen zu müssen. Ich hielt den Atem an, um die Tränen zurückzuhalten.
    »So eine Scheiße!«, sagte Sasha. »Ich meine, sie wollte wahrscheinlich nicht, dass du es siehst, aber… Wie lange seid ihr zusammen?«
    »Ungefähr acht Jahre.« Ich atmete langsam aus, und der Schmerz ließ nach.
    »Sie hätte es dir sagen sollen. Jetzt musst du sie damit konfrontieren. Du musst ihr sagen, dass du Bescheid weißt.«
    »Ist dir je so etwas passiert?«, fragte ich sie.
    Sasha ließ meine Hand los und lehnte sich gegen das orangefarbene Plastikpolster ihrer Sitzbank. Etwa eine halbe Minute oder noch länger starrte sie in ihre Suppe.
    »Als ich fünfzehn war, hatte ich einen achtzehnjährigen Freund«, sagte sie. »Ray Templeton. Er hatte rabenschwarzes Haar und breite Schultern. Irgendwann hatte er die Highschool geschmissen, seitdem arbeitete er in einer Autowerkstatt. Sein Traum war, Stock-Car-Fahrer zu werden. Ich war total in ihn verliebt, obwohl mir meine Eltern einredeten, er sei viel zu alt für mich und ein Versager.
    Eines Tages wollte ich ihn überraschen. Ich hatte ihm einen Pullover gestrickt und wollte ihn ihm in die Werkstatt bringen. Ich ging nach Hause, um mich umzuziehen, und als ich durch die Tür kam, hörte ich meine Mutter schreien: ›Oh Gott, oh Gott, oh Gott‹, und so weiter. Ich dachte, sie sei mit meinem Vater zusammen, und fühlte mich angeekelt, aber dann hörte ich jemanden stöhnen, und ich begriff, dass es Ray war.«
    »Was hast du da gemacht?«
    »Ich bin rein und hab sie angeschrien. Ich hab geschrien und eine Lampe auf den Boden geworfen. Ray sprang aus dem Bett, um mich zu beruhigen, aber das machte mich nur noch wütender, denn er hatte einen enormen Ständer. Dann fing meine Mom an zu betteln, ich solle ihr vergeben, und ich lief davon. Ich lief nach draußen und versteckte mich hinterm Haus, weil ich nicht wollte, dass mich jemand weinen sah.
    So saß ich eine Weile da, und dann hörte ich meine Mutter von Neuem ›Oh Gott, oh Gott, oh Gott‹ rufen. Erst dachte ich, ich würde einfach warten, bis sie fertig waren, aber sie fickten und fickten noch stundenlang weiter.«
    Die Härte in ihrem Gesicht machte aus Sasha eine völlig andere Frau. Sie atmete tief durch.
    »Und was dann?«, fragte ich.
    »Ich bin zu meiner Freundin Marie geflüchtet und habe gefragt, ob ich bei ihr schlafen könnte. Meine Eltern kannten keine von meinen Freundinnen, und so habe ich bis zum nächsten Morgen gewartet und bin dann zu meinem Vater ins Büro gegangen und habe ihm gesagt, warum ich nicht nach Hause gekommen war.«
    »Verdammt«, sagte ich. »Verdammt. Und dann?«
    »Er ist am nächsten Tag schon ausgezogen und hat sich später von ihr scheiden lassen. Erst haben wir uns eine Wohnung gemietet, später bin ich zu einer Tante nach Brooklyn gezogen. Enoch blieb bei meinem Vater.«
    »Was hat deine Mutter gesagt?«
    »Ich habe nie wieder mit ihr gesprochen. Sie ist mit Ray nach North Carolina gegangen. Ihre Schwester hat es mir erzählt. Aber dann hat er auch sie betrogen, und sie ist nach Los Angeles gezogen und hat in Hollywood als Maskenbildnerin angefangen. Hin und wieder ruft sie an, aber ich rede nicht mit ihr. Sie ist ein Miststück, und ich hasse sie.«
    Das tat sie, ohne Frage.
    Ich staunte über das Ausmaß an Zerstörung in Sashas familiärem Umkreis. Das Leben ihres Vaters, ihres Bruders und ihrer Mutter, alles lag in Trümmern.
    Ich stellte mir vor, wie Sasha aus dem Haus lief und ihre Mutter, die wahrscheinlich noch nie so hemmungslos mit jemandem geschlafen hatte, nicht von dem jugendlichen Automechaniker ablassen wollte, vielleicht auch nicht konnte.
    »Hasst du mich jetzt?«, fragte sie.
    Darüber musste ich lachen, und das tat mir gut.
    »Nein«, sagte ich. »Wie könnte ich dich deswegen hassen? Du hast mir doch nichts getan.«
    »Ich mag dich«, sagte sie mit wirklichem Gefühl in der Stimme. »Ich habe nur nie an deine Tür geklopft, weil du von deiner Freundin erzähltest und es so aussah, als wolltest du bloß mit ihr zusammen sein.«
    »Wow. Wirklich?«
    »Ja?«, sagte Sasha. »Du hast so schöne große Lippen und so schmale Hände. Und ich mag Männer, die mich gerne anstarren würden, aber zu schüchtern dazu sind.«
    Mir stockte der Atem.
    »Ich würde auch gerne bei dir klopfen«, sagte ich. »Aber kannst du mir ein paar

Weitere Kostenlose Bücher