Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rache an Johnny Fry

Rache an Johnny Fry

Titel: Rache an Johnny Fry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
Vom Netzwerk:
Tage Zeit geben, bis ich diese Sache in meinem Kopf klar bekommen habe?«
    »Sicher. Jetzt kommt sowieso erst mein Bruder. Vielleicht können wir nächste Woche mal zusammen essen gehen.«
    Sie nahm meine verletzte Hand und fuhr mit den Fingerspitzen um die geschwollenen Knöchel.
    »Das wäre schön«, sagte sie.
    Ich musste den Kopf gesenkt haben, denn sie hob mein Kinn an, damit ich ihr in die dunklen Augen sah.
    Ganz langsam begann sie den Druck ihrer Finger zu erhöhen. Draußen gingen Leute vorbei. Am Tisch neben uns stritt ein älteres Paar wegen etwas, das mit einem Cousin zu tun hatte. Meine Hand begann schmerzhaft zu pochen, besonders zwischen den Knöcheln.
    »Magst du Schmerzen, Cordell?«, fragte Sasha und sah mir in die Augen.
    Der Schmerz wanderte meinen Arm hinauf, aber ich zog meine Hand nicht zurück.
    »Tut das weh?«, fragte sie mich.
    »Ja«, flüsterte ich.
    »Du kannst mir vertrauen.« Sie drückte noch fester.
    Meine Schultern versteiften sich.
    »Du musst die Hand nur zurückziehen«, sagte sie mit einem spröden Lächeln auf den Lippen.
    Ich schloss die Augen und nickte. Mein Atem kam stoß weise, und mein Hals zog sich zusammen wie ein Penis im kalten Wasser.
    Plötzlich ließ sie los. Ich öffnete die Augen, Sasha sah mich immer noch an.
    »Warum hast du sie nicht angeschrien?«, fragte sie mich.
    »Ich weiß es nicht.«
    »Geh jetzt«, sagte sie und entließ mich damit. »Geh zum Arzt, und nächste Woche sehen wir, was du sonst noch alles magst.«
    »Ich zahle«, sagte ich.
    »Nein. Das geht auf mich«, sagte sie. Ihr Ton duldete keinen Widerspruch.
    Als ich vom Tisch aufstand, stolperte ich und wäre beinahe gefallen. Von draußen warf ich einen Blick zurück ins Restaurant, Sasha winkte mir zu und lächelte so wie immer.
    Ich ging die Straße hinunter und stellte verwundert fest, dass ich vor meiner Nachbarin Angst hatte. Sie hatte mir wehgetan und mich dazu bringen wollen, meine Hand wegzuziehen.
    Nach einer Weile merkte ich, dass ich rannte.
     
     
    Dr. Charles Tremain war jetzt seit mehr als zwanzig Jahren mein Arzt. Ich war mit Fieber, Kopfschmerzen und hin und wieder zu einem Check-up bei ihm gewesen. Es war nicht das erste Mal, dass ich unangemeldet in seine Praxis in der 69. Straße zwischen Madison und Lexington kam. Seine Sprechstundenhilfe Maya lächelte mich an und erschrak, als ich ihr meine Hand zeigte.
    Sie führte mich in einen Untersuchungsraum, wo mich ihre neue Kollegin aus Ghana, Aleeda Nossa, aufforderte, mich zu entkleiden und den blassgrünen Papierkittel anzuziehen, der auf einem Tisch lag.
    »Aber ich bin wegen meiner Hand hier«, erklärte ich ihr.
    »Dr. Tremain möchte, dass Sie Ihre Kleider ablegen«, antwortete sie.
    Sie war eine hübsche junge Frau mit einer außergewöhnlich dunklen, fast blauschwarzen Haut und großen Mandelaugen. Vielleicht fünfundzwanzig, vielleicht dreißig Jahre alt. Sie war füllig, aber keineswegs dick.
    »Mr Carmel«, sagte sie und wartete darauf, dass ich mich auszog.
    »Könnten Sie mich einen Moment allein lassen?«
    Sie lächelte betörend und glitt zur Tür hinaus.
    Schnell zog ich mich aus und schlüpfte in den pastellfarbenen Papierkittel. Aus dem Fenster konnte ich drei, vier Blocks weit auf die Dächer der Nachbarhäuser hinabsehen. Es gab kleine Gärten mit Grillanlagen, Tischen und Stühlen für die Bewohner Uptowns, die hier ihre Sommer verbrachten. Zwei Männer mit bloßem Oberkörper bauten einen Zaun zwischen zwei angrenzenden Dächern. Ein kleiner, an eine Türklinke gebundener Hund sprang auf und ab und bellte sie an.
    Auf einem Tischchen in der Ecke des Untersuchungszimmers lag ein Anatomiebuch. Ich nahm es in die Hand, aber bevor ich es aufschlagen konnte, kam Aleeda mit einem elektrischen Fieberthermometer zurück. Sie berührte meine Schulter und steckte die Spitze des Fühlers sanft in mein Ohr.
    »Sechsunddreißig acht«, sagte sie, nachdem nicht mehr als zehn Sekunden vergangen waren. »Das ist okay.«
    »Meine Hand macht mir Sorgen«, sagte ich und hob sie hoch.
    Sie fuhr so sanft über mein Handgelenk, dass ich es kaum spürte. Ihre Augen wurden groß und besorgt.
    »Oje«, sagte sie, und ich erschauderte.
    Wie schon Sasha fuhr sie mir mit den Fingerspitzen um die geschwollenen Knöchel. Schließlich sah sie auf und fragte: »Wie ist das passiert?«
    »Ich bin gefallen.«
    Einen Moment lang sahen wir einander in die Augen, dann senkte sie den Blick.
    »Mr Carmel«, sagte sie, als hätte ich sie

Weitere Kostenlose Bücher