Rache an Johnny Fry
tun.«
»Mit Enoch? Woher kennst du den denn?«
»Ich kenne ihn nicht«, sagte sie. »Aber ich weiß, was er durchmacht.«
»Wie meinst du das?«
»Erinnerst du dich?«, fragte sie und schluckte. »Erinnerst du dich, dass ich dir vor sechs Monaten vom Tod meines Onkels erzählt habe?«
»Deines Onkels, äh, Rex?«
»Ja.«
»Ja, ich erinnere mich.«
Sie hatte kaum mehr als ein paar Worte über Rex, den Halbbruder ihres Vaters, gesagt. Ihre Tante Jemma hatte ihr in einem Brief mitgeteilt, dass er in ihrem Haus auf Hawaii gestorben sei.
»Nach dem Tod meines Vaters quartierte uns Rex in einer Wohnung in Baltimore ein. Ich war vierzehn, und er erklärte meiner Mutter, es sei an der Zeit, dass ich ein Instrument lernte. Er war Klavierlehrer, bevor er sein Dachdeckergeschäft aufmachte. Ich ging also dreimal die Woche zu ihm und nahm Unterricht…«
Es war klar, worauf es hinauslief.
»Erst war es wirklich nur Unterricht. Er war ein guter Lehrer, und ich spiele immer noch gerne Klavier. Aber eines Tages sagte er, er liebe mich, und ich müsse deshalb seine Freundin werden. Es war sehr seltsam. Er rührte mich nicht an. Er erklärte mir nur, dass wir eine Beziehung miteinander eingehen würden, so als wäre ich seine Frau, andernfalls würde er unser Essen und unsere Miete nicht mehr bezahlen.
Meine Mutter hatte nach dem Tod meines Vaters einen Nervenzusammenbruch erlitten. Sie konnte nicht arbeiten, und ich war zu jung für einen Job. Meine Schwester war noch jünger als ich…
Mein Onkel sagte, ich solle darüber nachdenken. Wenn ich nicht wolle, dass meine Mutter anschaffen gehe, müsse ich einfach wie gewohnt zur nächsten Klavierstunde kommen.«
Während Jo das erzählte, hatte sie in ihr Glas gestarrt. Jetzt blickte sie auf. Ihr Gesicht war das einer völlig anderen Frau, einer Frau, der ihre Schönheit zum Verhängnis geworden war.
»Mittwochs ging ich wieder hin«, sagte sie. »Er sagte, was ich tun sollte. Er… er tat es wieder und wieder. Ich habe nie wieder einen Mann erlebt, der eine solche Ausdauer hatte. An manchen Tagen kam er ein Dutzend Mal. Wann immer ich mich verspätete oder ihn abwehren wollte, schlug er mich mit einem dünnen Lederriemen und drang anal in mich ein.«
Ich fasste nach ihrer Hand. Ihre Tränen fielen auf den Tisch.
»Wie ist es ausgegangen?«
»Onkel Bernard, Mutters Bruder, nahm uns zu sich. Mom zog zu ihm, und mich und August schickte er aufs College.«
»Und du hast nie jemandem davon erzählt?«
Jo schüttelte den Kopf und ließ meine Hand los.
»Nicht einmal deiner Schwester?«
»Nein. Jahre danach hat er noch regelmäßig angerufen«, sagte sie. »Er wollte, dass ich zu ihm zurückkehre. Er beteuerte immer wieder, dass er mich liebe.«
»Hast du ihn noch einmal gesehen?«
»Nein.«
»Hat er dich verletzt? Ich meine körperlich?«
»Er liebte mich, weißt du«, sagte sie.
»Nein! Er hat dich vergewaltigt!«
»Manchmal habe ich mich darauf gefreut, ihn zu sehen«, sagte sie und griff wieder nach meiner Hand. »Manchmal wehrte ich mich absichtlich, damit er mich bestrafte.«
»Er hat dich missbraucht und terrorisiert«, sagte ich, aber sie hörte mir nicht zu.
»Es fühlte sich gut an, wenn er mich bestrafte. Manchmal trank er den ganzen Tag Wasser, und wenn ich kam, ließ er mir ein Bad ein und urinierte auf mich, weil ich so abscheulich war.«
»Gott sei Dank ist der Drecksack tot«, sagte ich, »sonst würde ich ihn umbringen.«
Jo sah mich an. Ihr Blick war klar und unschuldig.
»Er konnte nicht anders«, sagte sie und schüttelte sachte den Kopf. »Seine Stiefmutter, meine Großmutter, warf ihn hinaus, als er zwölf war. Er lebte dann bei seiner Oma, die ihn schlug und an Männer und Frauen verkaufte, die es mit ihm trieben. Er wusste nicht, was wirkliche Liebe ist.
Im Laufe der Zeit lernte ich mit ihm umzugehen und wie ich ihn dazu bringen konnte, meiner Mutter zu geben, was sie brauchte.«
»Es tut mir so leid, Baby«, sagte ich. »Das habe ich nicht gewusst.«
»Viele Jahre lang bin ich nie mit einem Mann ausgegangen«, fuhr sie fort. »Und als ich es endlich probierte, mochte ich keinen von ihnen. Ich ließ niemanden an mich heran. Erst bei dir war es anders. Als ich dich sah, wusste ich, du warst der Richtige für mich. Ich wollte nicht wieder das, was ich mit Rex gehabt hatte. Wenn ich allein sein wollte, hast du mich in Ruhe gelassen. Wenn ich mit dir schlafen wollte, warst du sanft und lieb zu mir. Mit Rex’ Tod änderte sich jedoch
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