Rache an Johnny Fry
halten.
»Deshalb konnte ich ihr nicht sagen, was ich weiß«, sagte ich schließlich. »Ich meine, sie litt bereits so große Qualen und wusste offenbar nicht, was sie tat.«
»Ich glaube, Sie wusste das sehr wohl«, sagte Cynthia. »Sie behauptet, sie habe keinen Job finden können.«
»Da war sie erst vierzehn«, sagte ich und verteidigte Joelles Verhalten.
»Als es anfing, ja«, sagte Cynthia. »Aber sie war siebzehn, als ihr Onkel…. Bernard?«
»Richtig.«
»… als ihr Onkel Bernard sich der Familie annahm. Eine Siebzehnjährige hätte einen Job finden können. Wenn ich dich richtig verstanden habe, hatte sie das Gefühl, Rex in gewisser Weise unter Kontrolle zu haben. Sie hat nie jemandem etwas davon erzählt und auch weiterhin Briefe von ihm bekommen, ohne zur Polizei zu gehen und ihn anzuzeigen. Es wäre interessant zu wissen, was er ihr geschrieben hat.«
»Das ist unwichtig«, sagte ich. »Sie ist ein Opfer sexuellen Missbrauchs. Sie konnte ihn nicht anzeigen, weil er sie zutiefst verletzt hatte.«
»Das ist keine Entschuldigung dafür, dass sie dein Vertrauen missbraucht«, sagte Cynthia im Brustton der Überzeugung.
»Du bist auch eine Frau«, rief ich. »Wie kannst du so etwas sagen?«
»Wenn ich ihr vergäbe, müsste ich auch Rex vergeben. Er ist ebenfalls missbraucht worden, sagst du. Er wurde an Frauen und Männer verkauft und von seiner Großmutter misshandelt. Sollte ihm deshalb vergeben werden, was er deiner Freundin angetan hat?«
»Das heißt nicht, dass Jo kein Opfer ist. Rex ist mir egal.«
»Mir auch«, sagte Cynthia. »Genau wie Joelle. Der Einzige, der mir nicht egal ist, bist du, Cordell. Du bist der, der leidet. Du bist ein Mann, der Vertrauen und Liebe braucht. Vorhin hast du vor Schmerz kaum ein Wort herausgebracht.«
»Ja«, sagte ich. »Aber warum war der Schmerz dann so plötzlich weg? Ich war überzeugt, ich müsse sterben.«
»Weil du weißt, dass ich für dich da bin«, sagte Cynthia. »Ich lüge nicht und versuche auch nicht, dir dein Geld aus der Tasche zu ziehen. Ich betrüge dich nicht. Dein Schmerz war der Beginn der Verzweiflung, die ein jeder von uns spürt, wenn er merkt, dass man ihn im Stich gelassen hat und er ganz allein ist.«
»Bist du Therapeutin?«, fragte ich meine Telefonfreundin.
»Nein«, antwortete sie. »Der Wohltäter, der diesen Service bezahlt, will keine ausgebildeten Psychologen. Er will Leute, die zuhören und Anteil nehmen.«
Ich holte tief Luft, fing an zu weinen und konnte nicht wieder aufhören. Ich fiel zu Boden und rollte mich wie ein Embryo zusammen. Mein Gesicht verzerrte sich so sehr, dass es wehtat.
Als der Weinkrampf vorüber war, fragte Cynthia: »Kannst du wieder sprechen, Cordell?«
»Nenn mich L.«, sagte ich. »Ja, es geht wieder.«
»Bist du wütend auf deine Freundin?«
»Ich weiß es nicht. Gestern hätte ich diese Frage bejaht. Aber jetzt… Ich weiß es nicht.«
»Was ist mit ihrem Liebhaber?«
»Ich hasse ihn«, sagte ich. »Ich hasse ihn. Aber dem kann ich keine Beachtung schenken.«
»Warum nicht?«
»Weil ich sonst noch wahnsinniger werde. All der wilde Sex mit Jo und die Nacht mit Lucy. Und dann Sisypha, von der ich geradezu besessen bin. Ich habe mich einfach nicht mehr unter Kontrolle.«
»Wer ist diese Sisypha?«, fragte Cynthia.
»Die Heldin in einem Porno, den ich gekauft habe: Die Sisypha-Sage. Ich kann es nicht erklären, aber sie scheint es zu verstehen.«
»Was zu verstehen?«
»Ich habe mir nur einen Teil angesehen«, sagte ich, »aber ich muss immerzu an diese Frau denken und an das, was sie ihrem Mann antut. Es ist brutal, aber ich denke, dass er jemanden braucht…. dass ich jemanden brauche, der… der…. ich weiß es nicht,… mich aufweckt.«
»Hm. Du sagst, du hast dich nicht mehr unter Kontrolle«, sagte Cynthia. »Aber vielleicht bist du lediglich dabei, deinen Weg zu finden.«
»Das ist nicht mein Weg, Cynthia. Mein Weg besteht nicht darin, es halb öffentlich im Park zu treiben und mit meiner Freundin zu wiederholen, was sie vorher mit einem anderen gemacht hat. Ich werfe nicht so einfach meinen Job hin und fange etwas Neues an, von dem ich absolut keine Ahnung habe.«
»Aber genau das tust du gerade«, sagte Cynthia. »Ich glaube, du solltest deinem Herzen folgen. Du bist allein in dieser Welt, L. Du suchst nach einer menschlichen Verbindung. Sex ist der erste Schritt zu einer solchen Verbindung. Gib nicht auf. Jo hat auch nicht aufgegeben. Sie hat einen Liebhaber
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