Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rache an Johnny Fry

Rache an Johnny Fry

Titel: Rache an Johnny Fry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
Vom Netzwerk:
etwas. Nach all den Jahren befiel mich plötzlich ein Hunger nach wildem Sex. Deshalb bin ich so verrückt nach dir, seit du so anders bist. Ich brauchte das, was du im Park mit mir gemacht hast, und als du so getan hast, als würdest du mich schlagen, war ich so erregt, dass ich beinahe ausgerastet wäre.«
    Und deshalb, begriff ich jetzt, hatte sie auch die Affäre mit Johnny Fry angefangen. Sie wollte missbraucht und erniedrigt werden. Sie wollte wie ein Objekt behandelt werden, ein Lustobjekt.
    »Möchtest du, dass ich mit zu dir komme?«, fragte ich sie.
    »Nein. Ich will, dass du nach Hause gehst und darüber nachdenkst. Es ist eine komplizierte Geschichte. Du musst darüber nachdenken. Und ruh dich aus.«
    »Ja, aber ich würde dich nie allein…«
    »Rede nicht mehr davon«, sagte Jo und legte mir einen Finger auf die Lippen. »Geh nach Hause und komm morgen um drei zu mir… Wenn du mich dann noch willst.«
     
     
    Obwohl mein Kopf fürchterlich schmerzte, entschloss ich mich, zu Fuß zu gehen. Mit jedem Schritt auf dem Beton spürte ich – und hörte – den Nachhall der Schmerzen im ganzen Körper. Es war wie das Dröhnen einer riesigen Basstrommel.
    Ich lief nicht geradeaus, sondern im Zickzack von einer Seite des Bürgersteigs zur anderen, sah nach angeleinten Hunden und den Wolken, die am Himmel entlang zogen. Von der 63. bis zur 59. Straße zählte ich die schwarzen, getrockneten Kaugummis, die auf dem hellen Beton klebten – es waren zweihundertzweiundneunzig. Dann wurden die Kopfschmerzen so schlimm, dass ich nicht weiterzählen konnte.
    Ich ging in den Central Park und hoffte, unter den Bäumen zu sitzen würde die Schmerzen zurückgehen lassen. Aber sie wurden nur noch schlimmer. Das Licht unter meiner Schädeldecke glühte, und im Geäst über mir schienen sich Blitze zu entladen.
    Ich stand auf, und mir wurde schlecht. Aber das war noch nicht alles: Mein Herz raste, mir wurde schwindlig, und meine Hände fingen an zu zittern.
    Ich hasste die getrockneten Kaugummis. Irgendwie machte ich sie für mein Leiden verantwortlich.
    Stunden später begann die Sonne unterzugehen. Mit dem hereinbrechenden Abend gingen die Schmerzen ein wenig zurück. Endlich vermochte ich aufzustehen und mich zum Columbus Circle zu schleppen, wo ich ein Taxi nahm.
    »Was sagen Sie?«, fragte der Fahrer dreimal, bis er meine gelallten Worte verstand.
    Die Fahrt kostete acht Dollar, aber ich gab ihm zwanzig und sagte, er solle den Rest behalten.
    Ich brauchte eine Viertelstunde, um meine Schlüssel zu finden und ins Haus und in meine Wohnung zu gelangen. Die Schmerzen hatten mittlerweile einen neuen Höhepunkt erreicht. Sie waren so schlimm, dass sie meinen Kopf mit einem Geräusch füllten, einem tiefen Brummen.
    Nach längerem Suchen fand ich den Zettel mit Cynthias Nummer, hatte aber große Schwierigkeiten, sie korrekt zu wählen.
    »Du bist verbunden mit Sprich mit einem Freund«, sagte eine männliche Stimme. »Gib den Code deines Kameraden ein und drück die Rautetaste.«
    Es kostete mich ungeheuer viel Zeit und Mühe. Blitze zuckten vor meinen Augen, dunkle Flecken trieben vorbei. Es war ein Wunder, dass ich nicht in Panik geriet. Es konnte ein Hirntumor sein, ein Parasit oder ein Virus.
    »Du hast den falschen Code eingegeben«, sagte die Männerstimme, und die Verbindung brach ab.
    Ich drückte den Wiederwahlknopf, es klingelte, und der Mann forderte mich ein weiteres Mal auf, den Code einzugeben.
    Der Schmerz schien mir aus Augen, Nase und Mund zu quellen. Als ich endlich die Rautetaste drückte, hatte ich das Gefühl, es wäre das Letzte, was ich je tun würde.
    Ich wusste, ich würde sterben, war mir aber nicht sicher, warum. Es musste etwas mit meinem verantwortungslosen Verhalten zu tun haben. Irgendwo klingelte ein Telefon. Ich glitt langsam zu Boden.
    »Hallo?«
    »Cynthia?«
    »Cordell? Bist du das? Wie geht es dir?«
    Wie geht es dir?
    Diese einfache Frage nach meinem Befinden genügte, mir meine Schmerzen zu nehmen. Vollkommen. Ich wischte mir den Schleim, die Tränen und den Speichel vom Gesicht und atmete tief durch den Mund ein. Die Luft in meiner Lunge fühlte sich gut an. Die Welt füllte sich mit Möglichkeiten.
    »Cordell?«
    »Ja, ja, Cynthia. Es tut mir leid, dass es so spät ist, aber ich musste einfach anrufen. Mein Kopf.«
    »Was ist passiert?«
    Ich erzählte ihr von meinem Gespräch mit Jo, von ihrem Onkel und davon, wie tapfer sie sich geopfert hatte, um die Familie am Leben zu

Weitere Kostenlose Bücher