Rache@
Wochen.
Wenn Justus Brandt das hören könnte, würde er jetzt wohl sagen: âSuper, das ist genau das Ziel dieser AG! Sich mit seinen eigenen Gefühlen und denen der anderen auseinanderzusetzen, sie kennen und damit umzugehen lernenâ, dachte Ben und musste plötzlich grinsen.
In der Schule war der Ãberfall auf Johannes das Thema Nummer eins. Obwohl Johannes in eine ganz andere Klasse ging â er war ja schon zwei Jahre älter als Ben â, entfiel der Deutschunterricht aus aktuellem Anlass, wie Frau Pietsch, die Klassenlehrerin der 8b, es ausdrückte.
Sie wollte mit ihren Schülern über den Fall und die immer stärker zunehmende Gewalt unter Kindern und Jugendlichen ausführlich diskutieren.
Ben hielt sich während der Diskussion zurück. Er befürchtete, die anderen könnten ihm sein schlechtes Gewissen von der Stirn ablesen. Ben wusste, wer hinter dem Anschlag auf Johannes steckte. Inzwischen war er sich ganz sicher, was geschehen und wie es dazu gekommen war. Aber er würde sein Wissen nicht preisgeben. Er wollte einfach nur alles schnellstmöglich hinter sich bringen und dann den ganzen Spuk vergessen.
Heute würde er mit Justus Brandt sprechen. Dann würde Marcel ihn auch endlich in Ruhe lassen. Das hatte er ihm versprochen.
âDen Gefallen musst du mir noch tun, Alter. Das bist du mir schuldig. Dann sind wir quittâ, hatte Marcel gesagt und ihn dabei aus eng zusammengezogenen Augen angestarrt.
Und dann lagen sechs lange Ferienwochen vor ihm. Sechs Wochen, damit Gras über die Sache wachsen konnte. Sechs Wochen, damit die Dämonen und Gespenster, die ihn schon so lange verfolgten, sich endlich verabschieden konnten.
In der nächsten groÃen Pause wollte Ben die Sache mit Justus Brandt erledigen. Aber er konnte ihn nirgendwo finden. Weder in seinem Beratungszimmer noch in der Schulcafeteria. Ben beschloss im B-Trakt, in dem sich unter anderem das Lehrerzimmer befand, nach ihm zu suchen. Er hatte schon die Hand gehoben, zu einer Faust geballt und wollte gerade damit an die Tür des Lehrerzimmers klopfen, als diese schwungvoll nach innen aufgerissen wurde. Bens Klopfen ging ins Leere. Frau Teubert stand vor ihm und grinste breit. âHupsâ, kicherte sie albern, âdas wäre ja fast ins Auge gegangen.â
Wie lustig, dachte Ben genervt. Auf eine gut gelaunte Lehrerin hatte er im Moment so viel Lust wie auf Zahnschmerzen.
âIch suche Herrn Brandt. Ist er hier?â
âIst mein Bruder nicht in seinem Beratungszimmer?â, fragte die Lehrerin erstaunt.
Bruder? Ach, deshalb hatten die beiden sich damals in der Cafeteria so herzlich und vertraut begrüÃt.
âHerr Brandt ist ihr Bruder? Das wusste ich nicht.â
âSchon seit 28 Jahrenâ, grinste Frau Teubert jetzt noch breiter. âAber wo er im Moment ist, weià ich nicht. Im Lehrerzimmer jedenfalls nicht. Ist es denn so dringend? Oder hat das auch noch Zeit bis nach der Pause?â
Ben schüttelte den Kopf. âNein, dann habe ich ja wieder Unterricht.â
Frau Teubert nickte verständnisvoll. âStimmt. Dann versuchâs doch mal im Sekretariat. Vielleicht können die dir weiterhelfenâ, schlug sie vor.
âDanke, das mach ichâ, murmelte Ben und schlich sich davon.
Komischerweise hatte dieses kurze Gespräch mit Frau Teubert bei Ben sofort wieder für ein schlechtes Gewissen gesorgt. Justus Brandt war ihr Bruder. Und er, Ben, suchte ihn. Aber nicht, weil er nett mit ihm plaudern wollte, sondern um ihn in eine Falle zu locken. In eine hinterhältige, miese Falle!
Obwohl, es würde ihm ja nichts Schlimmes passieren. Ein Streich. Ein feuchter Witz. Mehr nicht. Trotzdem schämte sich Ben bis in die Haarspitzen bei diesem Gedanken.
Frau Harmeling, die Schulsekretärin, konnte Ben auch nicht sagen, wo sich Justus Brandt gerade aufhielt. âIch kann ihm aber einen Zettel in sein Fach legen, dass du ihn sprechen möchtest. Dann wird er sich garantiert mit dir in Verbindung setzenâ, schlug sie freundlich vor.
Ben lehnte dankend ab und verlieà das Zimmer.
Dann sollte es wohl nicht sein. Dass Ben Justus Brandt nicht finden konnte, deutete er als eine Art Zeichen. Ein Wink des Schicksals. Mach es nicht, Junge! Das gibt nur wieder Ãrger.
Je länger er darüber nachdachte, desto besser gefiel ihm dieser Gedanke. Genauso würde er es Marcel später am Telefon auch sagen.
Weitere Kostenlose Bücher