Rache auf leisen Pfoten
bin – dies ist deine Rache. Du hast zwanzig Jahre darauf gewartet. Mein Gott, bist du erbärmlich.«
»Aber du hast ein uneheliches Kind.«
»Hab ich nicht, und du kannst es nicht beweisen.«
»Ich mache Klassenfotos an den Schulen in der Stadt. Und ich erinnere mich an ein hübsches Mädchen, das vor drei Jahren den Abschluss gemacht hat. Western-Albemarle-Schule. Sie hatte deinen Teint und sah aus wie Charlie. Du hast das Mädchen zur Adoption freigegeben.«
»Niemals! Das würde ich nie tun.« Boom Boom war so wütend, dass sie sich nicht rühren konnte. Noch nie im Leben hatte sie eine so lähmende Wut empfunden.
»Mach dir doch nichts vor, Boom. Um die Konsequenzen kümmerst du dich nicht. Hast du nie getan. Du stiehlst anderen die Ehemänner.« Dennis sah Harry an, als er das sagte. »Du schiebst unbequeme Kinder ab. Wenn Kelly Craycroft von dem Mädchen gewusst hätte, hätte er dich nie geheiratet. Du wolltest sein Geld.«
»Ich habe Kelly Craycroft nach meinem College-Abschluss geheiratet. Meinst du, ich habe auf der Highschool daran gedacht, einen Geldsack zu heiraten? Du tickst ja nicht richtig.«
»Glaubst du, das stimmt?«, fragte Pewter Murphy.
»Ich weiß nicht.«
»Und außerdem hab ich keiner den Mann gestohlen. Männer sind keine Brieftaschen. Man kann sie nicht einfach an sich nehmen.« Sie stemmte die Hände in die Hüften. »Und ihr anderen alle, ich weiß, was ihr denkt. Ihr könnt mich mal. Ich tu, was mir passt. Weibliche Tugend wird maßlos überschätzt!«
Harry stieß einen Pfiff aus. »Na endlich, die wahre Boom Boom!«
Boom Boom stolzierte hinaus. Bob Shoaf lief ihr nach, um sie zu beschwichtigen.
Hank Bittner setzte sich wieder hin und rief über die Schulter: »Dennis, Rex mag körperlich tot sein, aber Freundchen, du bist gesellschaftlich tot.«
Darauf fingen alle zugleich zu reden an.
Mrs Murphy beobachtete, dass Dennis sich neben Hank setzte. Weil es so laut zuging, lief sie hin, um das Gespräch zu belauschen.
»Du bist ein noch größerer Feigling als ich, Bittner. Mir ist jetzt alles klar geworden. Sheriff Shaw hat heute etwas zu mir gesagt. Er hat gesagt, wenn diese Morde die Rache für Ron Brindells Vergewaltigung sind, dann muss jemand, der Ron geliebt hat, sie begangen haben, Ron hätte einen Liebhaber haben können, einen anderen Jungen von der Highschool, von dem niemand was wusste. Der Junge stand dabei und hat die Vergewaltigung nicht verhindert. Keiner sollte erfahren, dass er schwul war. Er hat keinen Finger gerührt, um Ron zu helfen. Und niemand hat Verdacht geschöpft. Du warst derjenige.«
Hank legte achtsam seine Gabel hin, wandte sich Dennis zu und sagte leise: »Dennis, wenn ich schwul wäre, dann möchte ich annehmen, dass ich den Mut hätte, mich dazu zu bekennen. Ich möchte annehmen, dass ich für Ron gekämpft hätte. Aber ich bin nicht schwul. Ich war nicht derjenige, und ich weiß nicht, was mit dir los ist – es sei denn, du bist der Feigling.«
45
Sheriff Shaw ließ Dennis Rablan bei dem Abendessen der Ehemaligen vorsichtshalber beschatten. Er hatte außerdem einen Beamten in Zivil abgestellt, der Dennis’ Haus in Bentivar, einer Wohnsiedlung an der Route 29, beobachtete.
Er heftete ein neues Ablaufdiagramm an das lange Schwarze Brett im Flur. Das Innere der Schule war akkurat skizziert. Die Aus- und Eingänge sowie sämtliche Fenster waren rot markiert.
Cynthia Cooper hätte an dem Abendessen teilnehmen sollen, aber dann hatte Rick anders entschieden: Er meinte, ihre Anwesenheit könnte sich hemmend auf die Leute auswirken. Aber kaum etwas hätte sich für die Gruppe als hemmend erweisen können, und Coop hoffte, dass Harry und Susan ihr die Reste aufheben würden. Sie bat sie inständig, jede Menge Gefrierbeutel und Behälter mitzunehmen.
»Glauben Sie, der Mörder wird zuschlagen?«
»Es ist sein oder ihr großer Abend, nicht? Wer immer es ist, hat zwanzig Jahre darauf gewartet.«
»Rechnen Sie damit, dass jemand auf dem Parkplatz abgeknallt wird?«
Er warf ihr einen strengen Blick zu. »Das ist unserem Täter glatt zuzutrauen.«
»Ich glaube, er genießt das Chaos – und die Angst in den Augen derjenigen, die noch auf seiner Abschussliste stehen. Ich glaube, er sitzt in der Turnhalle und kostet es voll aus.«
»Ich wollte, wir wüssten mehr über Brindell. Seine Eltern sind tot. Seine Cousine war uns keine Hilfe und obendrein noch patzig. Es muss doch jemanden geben, der uns sagen kann, wer sein Freund war –
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