Rache auf leisen Pfoten
hallo.«
»Hi«, sagte er.
»War Bob Shoaf hier?«
»Nein, wieso sollte er?«, fragte Harry.
»Ich dachte, er käme vielleicht vorbei, um sich zu verabschieden, ehe er wieder in den Norden fliegt. Er hatte dich immer gern.«
»Boom Boom, ich glaube dir kein Wort. Was ist los?« Harry lehnte den Rechen an die Boxentür.
Boom Booms Stimme schnellte eine halbe Oktave in die Höhe. »Ich hätte mich wirklich gern verabschiedet.«
»Wollt ihr nicht reingehen? Vielleicht unterhaltet ihr euch lieber ohne mich?« Fair warf eine Schaufel voll Sandgemisch in eine Box.
»Äh … ja.« Boom Boom verzog sich aus dem Stall.
Mrs Murphy und Pewter kletterten rückwärts die Heubodenleiter hinunter. Sie folgten den Frauen, die bei dem BMW stehen blieben.
Boom Boom sprach mit gesenkter Stimme. »Er ist weggegangen, ohne etwas zu sagen. Ich dachte, wenn er noch da wäre, würde ich rauskriegen, was los war.«
»Er ist ein Sport-Ass, Boom. Er ist es gewohnt, umschmeichelt zu werden und zu kriegen, was er will. Solange er dir kein Geld auf die Kommode gelegt hat, würde ich mir keine Sorgen machen.« Harry erriet sofort, was wirklich passiert war.
Boom Boom lief rot an. »Harry, du kannst manchmal richtig ekelig sein.« Sie griff in ihre Rocktasche. »Das hier hat er dagelassen.« In ihrer Hand schimmerte eine schwere, teure goldene Rolex.
»Die kostet so viel wie mein neuer Transporter.«
»Ja, das ist anzunehmen. Ich muss die Uhr zurückgeben, aber ich kann sie ihm doch nicht nach Hause schicken, oder?«
»Ach …?« Harry hatte nicht an Bobs perfekte Frau und seine zwei perfekten Kinder gedacht. Sie nahm Boom Boom die Uhr aus der Hand. Viertel nach neun. Sie sah auf die alte Hamilton, die sie trug, die Armbanduhr ihres Vaters. Viertel nach neun.
»Noch was, ich muss in die Schule. Ich weiß, dass du und Susan gestern Abend aufgeräumt habt, aber ich trage die Verantwortung, und ich muss alles noch mal checken.«
»Schön, dann mach’s.«
»Ich hab Angst.«
»Ach. Warum kommst du dann zu mir?«
»Weil Susan mit Ned und den Kindern in der Kirche ist und weil du – du hast vor fast nichts Angst.«
Zehn Minuten später waren Harry, Mrs Murphy, Pewter, Tucker, Boom Boom und Fair an der Crozet High School.
Der Haupteingang war offen wegen des Frühstücks der Abschlussklasse von 1950, der letzten geplanten Veranstaltung. Zuerst wollten sie in der Turnhalle nachsehen, die abgeschlossen war. Boom Boom hatte die Schlüssel. Sie schloss die Tür auf. Sie sahen sich rasch um. Alles in Ordnung.
»Ich geh noch mal nach oben«, sagte Tucker. »Vielleicht hab ich im Dunkeln was übersehen.«
»Ich kann im Dunkeln sehen. Mir ist nichts aufgefallen«, meinte Pewter.
»Es war viel Betrieb.« Tucker ging die Treppe hinauf.
Pewter folgte ihr. Mrs Murphy blieb bei Harry, als die Menschen die Flure und die Abfallbehälter kontrollierten.
»Ihr habt alles aufgeräumt. Ich habe nichts mehr zu tun«, sagte Boom Boom froh.
»Murphy!«, brüllte Pewter oben an der Treppe.
Murphy eilte hinauf zu Pewter und raste mit ihr über den gewienerten Boden zu dem Klassenzimmer neben dem Treppenhaus.
Tucker saß im Klassenzimmer. Das Fenster war offen. Die Jalousie, die ganz hochgezogen war, hatte eine weiße, vergilbte Schnur, die aus dem Fenster hing. Das war aber nicht alles, was aus dem Fenster hing.
Mrs Murphy sprang auf die Fensterbank. Bob Shoaf, dessen Zunge fast sein Brustbein berührte, hing am Ende der Jalousienschnur.
»Soll ich Mom holen?«, fragte Pewter.
»Noch nicht.« Mrs Murphy erfasste nüchtern die Situation. »Die Menschen werden alles verwischen. Lasst es uns vorher gründlich untersuchen.« Sie fragte die Hündin: »Irgendwelche Spuren?«
»Englisch Leder, nachlassend – und Dennis’ Geruch.«
Pewter sprang neben Mrs Murphy auf die Fensterbank. »Sein Gesicht ist – ich kann die Farbe nicht beschreiben.«
»Kümmer dich nicht um den.« Murphy bemerkte, dass das letzte Klassenzimmer zum Treppenabsatz herausragte. Die nebeneinander liegenden Fenster waren von der Straße vor dem Schulhaus zu sehen, aber das hintere Fenster, das im rechten Winkel zu den anderen lag, blieb dem Blick verborgen. Man hätte Bob vermutlich erst irgendwann am Montag entdeckt, wären sie nicht nach oben gekommen. Der Frost konservierte den Leichnam, doch auch ohne Frost hätten die Menschen ihn vierundzwanzig bis achtundvierzig Stunden lang nicht gerochen, je nachdem, wie warm es tagsüber wurde. Murphy bemerkte außerdem, dass die
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