Rache auf leisen Pfoten
wurde?«
»Ich würde sagen, der Tod ist gegen vier Uhr früh eingetreten. Sie haben natürlich den Fundort untersucht.«
»Keine Anzeichen von einem Kampf.« Rick hoffte, dass es dem Balsamierer im Bestattungsinstitut gelingen würde, die dunkle Farbe aus Bobs Gesicht zu entfernen, und er fragte den Gerichtsmediziner, ob das möglich sei.
»Normalerweise ja. Wenn das Blut abgelassen wird, fließt es auch aus dem Gesicht, aber ich bin Gerichtsmediziner, kein Bestattungsunternehmer.« Er lächelte; er war mit Leichen vertraut. »Wenn es sich nicht machen lässt, rate ich zu einem geschlossenen Sarg. Der tiefe Einschnitt am Hals ist problematisch, aber wenn man den Kragen an die Haut im Nacken heftet, sollte er oben bleiben, sodass der Familie der leidvolle Anblick erspart bleibt. Ich erinnere mich an Bobs glanzvolle Zeit auf der Crozet High School.« Er linste über seine Halbbrille. »Und danach.«
»Ich auch.« Endlich sprach Cynthia. Autopsien stellten ihre große Gelassenheit auf die Probe.
»Die Zeiten sind vorbei«, erklärte Rick sachlich. »Komisch, wie sich ein ganzes Leben auf diesen letzten Augenblick reduziert. Bob dachte vermutlich, er könnte sich drücken, vor was oder wem auch immer. Sein Selbstvertrauen hat ihm nie Probleme bereitet.«
»Dieselben Tatumstände?« Der Gerichtsmediziner zog das Laken über Bobs verfärbtes Gesicht.
»Ja. Er wurde höchstwahrscheinlich nicht in der Schule erschossen. Seine Leiche wurde zur Highschool und dann die Treppe hinaufgetragen. Dabei ist er kein Federgewicht.«
»Hundertachtundachtzig Pfund, ein gutes Gewicht für einen Cornerback. Ihrem Mörder werden die Beine schmerzen, sofern er kein Gewichtheber ist.«
Als Rick und Cynthia wegfuhren, sagte Cynthia: »Harry, Boom und Fair haben einen regelrechten Schock erlitten. Sie wussten nicht, dass ihm zwischen die Augen geschossen wurde, bis wir die Leiche hochgehievt hatten. Dieser Moment, wenn man eine Leiche sieht, die körperlichen Verheerungen – den vergisst man nie.«
»Ich war erstaunt, dass Boom Boom nicht ohnmächtig geworden ist. Sie versäumt selten eine Gelegenheit, ihren innersten Gefühlen freien Lauf zu lassen«, erklärte Rick bissig.
»Bemerkenswert beherrscht.« Cynthia seufzte. »Wenn man bedenkt, dass sie keine sechs oder sieben Stunden vorher mit dem Mann geschlafen hat.«
»Wir haben ihre Aussage. Sie hat nicht rumgeschwafelt, das muss ich ihr lassen.« Rick schlug die Richtung zum Polizeirevier ein, dann wendete er und fuhr nach Crozet.
»Schule?«
»Nein. Boom Boom.«
Sie hielten in der Zufahrt des schönen weißen Backsteinhauses. Boom Booms verstorbener Mann hatte mit dem Kies- und Betonhandel viel Geld verdient. Das Geschäft gehörte ihr noch, sie kümmerte sich jedoch nicht um die täglichen Belange. So überdreht Boom auch sein konnte, einen Geschäftsbericht konnte sie so gut lesen wie alle anderen, und sie ließ es sich nicht nehmen, ein- oder zweimal die Woche im Steinbruch aufzukreuzen. Sie beabsichtigte, von dem Bauboom in Albemarle County beträchtlich zu profitieren.
Ein Toyota Camry parkte neben ihrem BMW.
Boom Boom wirkte durchaus erfreut, den Sheriff und Cynthia wiederzusehen. Ihre vom Weinen geröteten Augen blickten ängstlich.
Chris Sharpton und Bitsy Valenzuela standen auf, als Rick und Cynthia in das luxuriös eingerichtete Wohnzimmer traten.
»Sollen wir gehen?«
»Noch nicht«, sagte Rick.
Boom bot Erfrischungen an, sie lehnten dankend ab.
»Meine Damen, was tun Sie hier?«, fragte der Sheriff.
»Ich habe sie angerufen«, antwortete Boom.
»Schön und gut, aber Sie habe ich nicht gefragt.« Rick lächelte; er kannte Olivia Ulrich Craycroft, seit sie ein Kind war, und wusste, dass sie es ihm nicht übel nahm.
»Wie sie schon sagte, sie hat mich angerufen, sie weinte, und da bin ich hergefahren«, erklärte Chris. »Leider war ich ihr kein großer Trost. Ich habe ihr geraten, Urlaub zu machen. Alle aus ihrer Klasse sollten Urlaub machen.«
Bitsy bestätigte Boom Booms Aussage. »Mich hat sie auch angerufen. Ich habe E.R. gefragt, ob ich herkommen könnte. Er macht sich Sorgen wegen der Geschichte, aber er hat nachgegeben, weil Chris und ich zusammen hergefahren sind.«
»Die Opfer sind Männer.« Cynthia beugte sich zu Rick vor, der es sich in seinem Sessel bequem gemacht hatte. »Boom Boom scheint nicht in Gefahr zu sein.«
»Ich möchte ungern die Ausnahme sein, die die Regel bestätigt«, sagte Boom Boom.
Rick wartete, den Kopf auf die Hand
Weitere Kostenlose Bücher