'Rache'-Box: Rachezug, Rachegier und Rachetrieb (German Edition)
Vorlesung angemeldet waren, gegen 16 Uhr zum Hörsaal und erfuhren erst dort, dass die Veranstaltung ausfiel.“
„Ganz genau. Und was machen Studierende in einem solchen Fall? Sie gehen in eine Cafeteria. Zumindest dann, wenn sie im Anschluss noch eine weitere Veranstaltung haben und sich der Weg zurück zu ihren Wohnungen nicht wirklich lohnt. Das haben Patrizia und Ina jedenfalls so gemacht.“
„Moment mal, eines nach dem anderen“, verlangte Thomas. „Haben sich Patrizia und Ina gegen 16 Uhr vor dem Hörsaal mit Daniela getroffen?“
„Ja. Als die beiden dort ankamen, stand Daniela angeblich schon vor dem Hörsaal und las gerade vom Ausfall der Vorlesung. Daraufhin diskutierten die drei kurz, wie sie die gewonnene Zeit bestmöglich nutzen sollten. Schließlich wollten Patrizia und Ina in die Cafeteria gehen, wohingegen Daniela andere Pläne schmiedete.“
„Welche anderen Pläne?“
„Sie wollte in die Bibliothek, um dort einige Seiten aus einem Buch über sprachwissenschaftliche Analysen zu kopieren. Anscheinend war sie eine vorbildliche Studentin.“
„Waren die drei denn gegen 16 Uhr alleine vor dem Hörsaal?“
„Nein, dort hielten sich auch noch einige andere Studierende auf, die ebenfalls davon ausgegangen waren, dass die Vorlesung stattfinden würde. Vor den übrigen Hörsälen wäre laut Auskunft von Patrizia und Ina ebenfalls eine Menge Betrieb gewesen.“
„Aber der Ausfall der Vorlesung erklärt immer noch nicht, wieso Daniela letztendlich alleine im Hörsaal saß, ohne dass irgendjemand etwas von ihrer Ermordung mitbekommen hat. War sie denn dann alleine zur Bibliothek gegangen?“
„Ja, während Patrizia und Ina zum Café Central gingen, machte Daniela sich alleine auf den Weg zur Bibliothek. Der springende Punkt ist aber folgender: Die Unterhaltung der drei Studentinnen vor dem Hörsaal zog sich fast über eine Viertelstunde hin. Als sie sich schließlich trennten, war es fast zwanzig Minuten nach vier.“
Nora kombinierte: „Zu diesem Zeitpunkt waren die anderen Studierenden schon in den jeweiligen Vorlesungen.“
„Genau, denn die Vorlesungen beginnen in der Regel um 16 Uhr 15. Bestimmt wird der eine oder andere Studierende zu spät gekommen sein. Auch saßen gewiss einige Leute an den Computerplätzen in der Nähe der Hörsäle. Aber die größte Menge befand sich zum fraglichen Zeitpunkt garantiert schon in den Vorlesungen. Zudem haben Patrizia und Ina behauptet, die letzten Personen vor ihrem Hörsaal gewesen zu sein. Alle anderen hätten sich bereits auf und davon gemacht, um ihre gewonnene Freizeit produktiv zu gestalten.“ Dorm zögerte kurz. „Und wenn ich mir nun vorstelle, dass Daniela anschließend alleine an den übrigen Hörsälen vorbeispaziert ist, dann hätte der Mörder sie dort problemlos ansprechen können. Er hätte sie zum Beispiel freundlich bitten können, ihm den Weg zu einem bestimmten Ort zu zeigen. Dann drängte er sie möglichst unauffällig zurück in den leeren Hörsaal und ermordete sie dort. Und als er den Hörsaal kurz darauf wieder verließ, achtete niemand auf ihn.“
„Womöglich kannte der Mörder Daniela aber auch. Dann wäre es noch unauffälliger gewesen. Dann hätte er sie unter einem Vorwand in den Hörsaal locken können.“
„Möglich.“ Dorm zog einen Zettel aus seiner Hosentasche und hielt ihn Nora und Tommy entgegen. „Das hier ist die Liste der offiziell angemeldeten Studierenden für die Vorlesung Linguistische Textanalyse . Vielbusch und ich werden uns so schnell wie möglich an die Arbeit machen, um die einzelnen Personen aufzusuchen. Vielleicht hat doch einer von denen etwas mitbekommen. Aber ich befürchte, dass wir uns auf eine sehr lange und zähe Ermittlung einstellen müssen. Denn bis wir alle Studierenden von dieser Liste befragt haben, wird einige Zeit vergangen sein. Das sind immerhin über siebzig Namen.“
„Dann macht ihr euch lieber sofort an die Arbeit.“ Nora zwinkerte ihrem Kollegen zu.
„Ja, darauf freue ich mich schon ungemein.“ Dorm verdrehte die Augen und trat wieder aus dem Büro. Mit einem verstimmten Murmeln schloss er die Tür.
„Das ist zum Verrücktwerden! In manchen Fällen haben wir nicht einmal einen einzigen potenziellen Zeugen. Aber nun haben wir so viele, dass wir kaum wissen, bei wem wir anfangen sollen“, beschwerte Tommy sich.
„Vielleicht gehört genau das zum Plan des Täters“, grübelte Nora. „Er will die herkömmliche Methode der meisten Mörder möglicherweise
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