'Rache'-Box: Rachezug, Rachegier und Rachetrieb (German Edition)
keinerlei Hinweise auf den Täter finden können, doch hofften sie, diese am nächsten Tag mit neuer Energie zu entdecken.
Allerdings fragte die Kommissarin sich, wo der Lehrer Albert Weller und der Student Stefan Peters stecken mochten. Als ihre Kollegen heute noch einmal bei deren Wohnungen waren, hatten sie die beiden noch immer nicht antreffen können.
Hat einer von denen etwas mit diesen Morden zu tun? Oder sogar beide? Stecken sie womöglich unter einer Decke und haben sich nun aus dem Staub gemacht?
In dem Versuch, ihre Ungewissheit zumindest für den Moment zu verdrängen, legte Nora ihren Arm um Timos Brust und seufzte. Sie wollte nur noch an seiner Seite liegen und friedlich in den Schlaf sinken. Das war alles, wonach sie begehrte. Doch diesen Wunsch machte Timo ihr zunichte. Ohne Vorwarnung sauste seine Hand auf den Knopf der Nachttischlampe herab, woraufhin ein schallender Lärm durch das Zimmer dröhnte. Während die Leuchtkraft der Lampe den Raum in ein schillerndes Weiß hüllte, kniff Timo seine Augen zusammen. Nachdem er sich dann an die Helligkeit gewöhnt hatte, sah er Nora stumm an.
„Was ist los? Wieso schaltest du das Licht an?“, fragte sie.
„Wo warst du?“, entgegnete er scharf, wobei er auf den Wecker auf seinem Nachttisch schaute.
„Wie meinst du das?“
Er richtete sich auf und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Holzwand des Bettes. „Wo warst du bis gerade eben ?“
„Im Büro. Das weißt du doch.“
„Bis kurz vor elf warst du im Büro? Warum hast du mir nicht Bescheid gegeben?“
Mit einem Mal fühlte Nora sich wie ein Kind, das von seinem Vater wegen einer Kleinigkeit gerüffelt wurde. Da sie seinem Blick jedoch anmerkte, dass er seine Frage bierernst stellte, lehnte auch sie sich gegen die Hinterwand und suchte nach dem Anlass seiner Reaktion.
Nach und nach dämmerte ihr, worauf er mit seinem Verhör hinauswollte: Sie hatte ihn tatsächlich vergessen. Der riesige Berg an Arbeit hatte sie so sehr in Anspruch genommen, dass sie nicht mehr an ihn gedacht hatte - an den zweiten Jahrestag ihrer Beziehung.
„Ich kann das erklär…“ So schnell Nora diesen Satz ausstieß, so rasch brach sie ihn schon wieder ab. Durch Timos sarkastisches Lächeln war ihr bewusst geworden, wie fadenscheinig diese Äußerung für ihn klingen musste. Umgehend suchte sie nach einer anderen, besseren Formulierung.
„Ich hatte fürchterlich viel zu tun“, sagte sie nach wenigen Augenblicken. Doch auch diese Aussage stellte sie nicht zufrieden. Im Gegenteil. Sie machte alles nur noch schlimmer.
„Viel zu tun“, wiederholte Timo abtrünnig. „Warum bist du nicht an deinen Apparat gegangen? Ich habe mehrmals versucht, dich in deinem Büro zu erreichen. Also, wo hast du wirklich gesteckt?“
„Ich saß in Thomas’ Büro.“
„Und was ist mit deinem Handy?“
„Das hatte ich abgestellt, weil ich während unserer Ermittlungen nicht gestört werden wollte.“
„Dir ist aber schon bewusst, welcher Tag heute ist, oder?“, testete Timo weniger ihr Gedächtnis als viel mehr ihr Gewissen.
„Ja“, antwortete sie und blickte beschämt auf die Bettdecke hinab.
„Schön, wenigstens weißt du es noch.“ Er drehte seinen Kopf zur Seite und stieß einen Laut der Verstimmung aus.
Vor genau einem Jahr hatten sie gemeinsam im Restaurant Zum Schwarzen Bären beschlossen, dass sie die künftigen Jahrestage ihrer Beziehung stets auf dieselbe romantische Art gestalten wollten: Um 19 Uhr begaben sie sich zu dem besagten Restaurant. Danach gingen sie ins CinemaxX in der Bahnhofsallee , um sich einen Liebesfilm anzusehen. Anschließend gönnten sie sich einen Bananensplit im Eiscafé Da Claudio . Zuguterletzt verbrachten sie eine märchenhafte Nacht zusammen. Ein unvergesslicher Abend sollte es stets werden. Doch da Nora nun ausgerechnet diesen Tag vergessen hatte und nicht einmal nachfragte, welche Überraschung Timo für sie geplant hatte, schüttelte er den Kopf und murrte: „Ich dachte immer, dass nur Männer solche Tage vergessen würden. Dass eine Frau den Jahrestag ihrer Beziehung vergisst, ist mir neu.“
Nora sah ihn schuldbewusst an. „Ich verstehe, dass du wütend bist. Aber ich habe wirklich unglaublich viel um die Ohren. Das soll keine Entschuldigung, aber zumindest eine Erklärung sein. Und ich hoffe, dass du mir nicht allzu böse bist.“
Ihre Hoffnung wurde enttäuscht. Denn als sie ihm besänftigend durchs Brusthaar streicheln wollte, ergriff er ihre Hand am Gelenk, um
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