'Rache'-Box: Rachezug, Rachegier und Rachetrieb (German Edition)
hätte.
„Ja, ich bin schon seit einigen Jahren solo“, erklärte der Lehrer. „Wieso? Kennen Sie eine einsame Dame mit einem Faible für chinesische Architektur und klassische deutsche Literatur?“
„Es gibt also keine Zeugen dafür, dass Sie nach der Feier direkt nach Hause gefahren sind?“, überging Nora seinen Kommentar.
„Keine Zeugen“, bestätigte Weller.
„Könnten Ihre Nachbarn uns bestätigen, wann Sie wieder hier eingetroffen sind?“
„Wahrscheinlich nicht. Die Neumanns sind verreist und dort wohnt eine ältere, schwerhörige Dame.“ Weller deutete auf die Westwand. „Sie ist einundachtzig Jahre alt und wird kaum mitbekommen haben, wann ich wieder heimgekehrt bin.“
„Sind Sie eigentlich auch der Vertrauenslehrer der Schülerinnen und Schüler?“, lenkte Thomas das Gespräch so plötzlich in eine andere Richtung, dass Weller zögerlich auf seine Hacken zurückwippte.
„Ja, das bin ich. Wieso fragen Sie?“
„Haben Sie in Ihrer Eigenschaft als solcher jemals mit Gabriella gesprochen?“
„Nein, nicht ein einziges Mal. Gabriella hatte keine Probleme, von denen ich gewusst hätte.“
Nachdem Weller dies verkündet hatte, zog Thomas die Fotos von Laura Steffel und Jessica Leimen aus seiner Tasche und reichte sie dem Lehrer. „Kennen Sie diese Mädchen?“
Weller warf einen Blick auf die Bilder. „Nie gesehen.“
Thomas achtete auf jede noch so kleine Regung des Lehrers. Doch ihm fiel nichts Ungewöhnliches auf. Weller hielt sowohl seine Mimik als auch seine Stimme vollkommen unter Kontrolle.
„Sagen Ihnen die Ziffern 1, 0 und 8 etwas? Oder die Buchstaben H, B und S?“
„Nein.“
„Ganz sicher?“
„Absolut.“
„Wo waren Sie denn am Freitagmorgen gegen sieben und am Freitagnachmittag zwischen zwei und vier Uhr?“
Weller starrte Tommy stumm an. Erst nach einer ganzen Weile erwiderte er: „Hier.“
„Hier in Ihrer Wohnung? Alleine?“
Der Lehrer atmete hörbar aus. „Ich habe mit den Morden nichts zu tun, das garantiere ich Ihnen! Aber ich lasse mir diese Anspielungen nicht mehr länger bieten. Verlassen Sie meine Wohnung. Und zwar sofort!“
Thomas lächelte ihn falsch an. „Schon gut. Das machen wir. Aber ich denke, dass wir uns früher oder später wiedersehen werden. Dessen bin ich mir sogar sicher.“ Mit diesen Worten erhob er sich, trat mit Nora zur Wohnungstür und verließ die Unterkunft.
Kaum standen die beiden auf dem Flur, da waren sie ungemein froh, endlich wieder unbeschwert atmen zu können.
Nachdem sie anschließend die Nachbarn gefragt hatten, wann Weller am Freitagabend nachhause gekommen war, jedoch niemand eine zuverlässige Antwort darauf geben konnte, meinte Tommy a uf dem Weg zu Noras Wagen: „Dieser Weller hat eindeutig Dreck am Stecken. Hast du bemerkt, wie unsicher er zwischenzeitlich wurde? Da stimmt etwas nicht. Zudem hat er keine Alibis. Deshalb bin ich dafür, dass ich ihn heute Abend ein wenig im Auge behalte, während du mit den Kollegen die Hausmanns bewachst. Das kann schließlich nicht schaden, oder?“
„Das halte ich für eine gute Idee. Sollte der Lehrer tatsächlich unser Mann sein, dann kannst du ihn auf seinem Weg zu Jasmin verfolgen, wo wir ihn dann auf frischer Tat ertappen.“
Voller Vorfreude blickte Tommy sie an. „Ich kann es kaum erwarten.“
Als die beiden kurz darauf vor Noras Ford standen, ertönte die Titelmelodie von Beverly Hills Cop . Tommy fischte sein Handy aus seiner Tasche, räusperte sich kurz und nahm den Anruf entgegen. „Ja, wer stört?“
„Scarface? Hier spricht Dorm.“
„Was gibt’s, Partner?“
„Wir haben bei der Suche im Göttinger Wald tatsächlich eine vierte Leiche gefunden!“
Um ein Haar wäre Tommy das Handy aus den Fingern gerutscht. „Mein Gott. Julia Bartel?“
„Nein.“
„Wie bitte? Wer ist es denn dann?“
Dorm schien im Hintergrund kurz mit jemandem zu sprechen. Dann meldete er sich wieder und antwortete:
„Nun ja, es ist … er .“
47
Julia konnte nicht einmal sagen, welcher Tag heute war. Tages- oder Nachtzeit? Sie wusste es nicht. Als sie vor zehn Minuten aufgewacht war, hatte sich ihr erster Gedanke um Nahrung gedreht. Seitdem sie in diesem fensterlosen Raum gefangen gehalten wurde, hatte sie noch keinen Bissen zu Essen bekommen. Zudem war ihre Kehle nahezu ausgedörrt, weshalb sie krampfhaft versuchte, so viel Spucke wie möglich anzusammeln, um wenigstens etwas Feuchtigkeit im Mund zu speichern.
Was war denn nur zuletzt geschehen?
Sie konnte
Weitere Kostenlose Bücher