Rache der Königin
empfiehlt, nur daß sein Brief es nicht ausspricht.
Habt Dank für Eure Bemerkungen, Monsieur d’Or bieu . Ich werde sie Seiner Majestät samt den meinen übermitteln. Man scheut sich doch immer, ein Urteil über einen Freund zu fällen,
für dessen Aufstieg man viel getan hat und der sich von einem zu entfernen scheint. Deshalb war mir Eure Meinung wichtig.«
Als ich nach dieser Unterredung zu Nicolas und unseren Pferden ging, fiel mir plötzlich ein, daß ich ja meinen alten Freund,
den Doktor der Medizin und Domherrn Fogacer, zum Mittagessen eingeladen hatte, sicherlich wartete er schon auf uns, ich trieb
also mein Tier an, um Schloß Brézolles schnellstmöglich zu erreichen. Und wirklich, Fogacer war bereits da, groß, schmal und
spinnengleich mit seinen überlangen Armen und Beinen, die Haare weiß, die dünnen schwarzen Brauen nach den Schläfen hin gespitzt,
während ein langsames, gewundenes Lächeln seinen großen Mund in die Breite zog. Man muß sagen, daß ihm dies etwas Mephistophelisches
verlieh, das in seinen jungen Jahren durchaus ein wenig der Realität entsprochen hatte, war er damals doch schwul und Atheist.
Inzwischen aber steckte nichts mehr dahinter, weil er seinen sodomitischen Neigungen wie seinem Unglauben, Gott sei Dank,
entsagt hatte und in den Schoß der Kirche heimgekehrt war. Dabei hatte er nichts von einem trägen alten Domherrn, denn seine
Augen blitzten, seine Bewegungen waren lebhaft und seine Rede rasch.
Madame de Bazimont, die für ihn schwärmte, hatte ihm bis zu meinem Eintreffen in einem kleinen Kabinett eine Flasche Aunis-Wein
und ein paar Leckereien vorgesetzt. Sowie er mich erblickte, kam er und schloß mich wie gewöhnlich mit einer Zärtlichkeit
in die Arme, die mich leicht genierte, weil sie nicht ganz so brüderlich war, wie sie sollte. Ich trank ein Glas Wein mit
ihm, aber nur ein kleines, denn ich verlege mir vor der |22| Mahlzeit nicht gern den Appetit. Weil nun der bei Richelieu gelesene Brief mich noch beschäftigte und ich ja wußte, wie gut
Fogacer immer über alles informiert war, fragte ich ihn, ob er von der Erleuchtung des Kardinals Bérulle über den wunderbaren
Fall von La Rochelle wisse.
»Allerdings!« sagte er mit seinem sehr eigenen Lächeln, »und nach einem Brief, den ich gestern aus Paris erhielt, macht diese
Erleuchtung am Hof Furore. Die einen glauben dran, die anderen nicht, doch ohne jede Vernunft auf beiden Seiten, einzig danach,
ob die Erleuchtung ihre vorgefaßte Parteinahme bestärkt oder entmutigt.«
»Das heißt, mein sibyllinischer Freund?«
»Daß sogar hier, im Lager vor La Rochelle, Monsieur de Marillac …«
»Welcher von beiden?«
»Der Siegelbewahrer. Sein Bruder, der Kriegsmann, handelt, ohne viel zu denken. Doch könnte er, wenn es drauf ankäme, sich
dem Standpunkt des älteren Bruders, der so weise und geistvoll ist, stürmisch anschließen.«
»Und Monsieur de Marillac glaubt an die Erleuchtung Bérulles?«
»Er wird es im Lager nicht sagen, um dem Kardinal und dem König nicht zu mißfallen. Aber ich bin überzeugt, daß er dran glaubt
oder vielmehr glauben will.«
»Warum denn aber?«
»Weil er fromm ist.«
»Mein Freund, der König ist auch fromm.«
»Aber nicht so! Der König ist fromm aus Gottesfurcht.«
»Was ist der Unterschied?«
»Er ist riesig! Die Gottesfürchtigen folgen, so gut sie können, den Lehren Christi, die frömmlerischen Frommen dagegen leiten
sich direkt von den Ligisten der Heiligen Liga her und sind Fanatiker, die die protestantische Ketzerei mit Feuer und Schwert
ausrotten wollen. Sie hätten ganz und gar nichts gegen eine Bartholomäusnacht in europäischem Maßstab. Aber dazu können sie
natürlich weder auf Ludwig zählen, der das Edikt von Nantes, das Werk seines bewunderten und geliebten Vaters, niemals widerrufen
wird, noch auf den Kardinal, dem die Interessen des französischen Reiches am Herzen liegen wie keinem einzigen dieser erbitterten
Frömmler. Für sie ist die Belagerung |23| von La Rochelle ganz unnütz und sogar schädlich. Denn sie wissen sehr wohl, daß Ludwig, sobald die Stadt genommen ist, zwar
den katholischen Kult dort wiederaufrichten wird, doch ohne deshalb den protestantischen zu zerschlagen. Dadurch werden die
Hugenotten, anstatt wie jetzt rebellische Untertanen und Verräter des Vaterlands zu sein, sich zu treuen Dienern des Herrschers
wandeln und so in aller Augen sogar eine neue Rechtmäßigkeit erlangen.
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