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Rache der Königin

Rache der Königin

Titel: Rache der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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daß Madame de Brézolles mich nicht absichtlich schmachten ließ, war sie doch keine dieser
     höfischen Zierpuppen, die einen |13| Mann, der ihnen ins Netz gegangen ist, durch Gleichgültigkeit und Verspätungen auf die Folter spannen.
    Ein Frühstück auf Brézolles ist immer eine schlichte Mahlzeit: Gereicht wird Verbenentee oder Milch, gebuttertes Brot und,
     wenn man mag, Konfitüre. Aber ehrlich gestanden, an jenem Morgen wäre ich freiwillig nüchtern geblieben, so sehr hungerte
     und dürstete mich einzig nach meiner Besucherin, die zugleich meine Wirtin war. Endlich trat sie herein, mit klarer Stirn,
     hübsch gelegten Haaren, Lippen und Wangen lieblich geschminkt, und sowie sie da so schlank wie süß gerundet vor mir stand,
     erhellte sich alles, sogar der stürmische graue Tag, der durch die verregneten Scheiben fiel.
    »Monsieur«, sagte sie, »wie froh bin ich, Euch wiederzusehen! Die Zeit ist mir sehr lang geworden ohne Euch!«
    Hiermit reichte sie mir die Hand, die ich vor Küssen am liebsten verschlungen hätte, aber wenn ich mein Verlangen nach ihr
     auch geziemend beherrschte, schlug mir das Herz doch in einem Maße, daß ich kein Wort hervorbrachte. Zum Glück kamen uns die
     Nichtigkeiten der Konversation zu Hilfe, die ja in jedem Fall nützlich sind, ob man sich nun viel zu sagen hat oder nichts,
     und einander gegenübersitzend, wechselten wir bei diesem beiderseits achtlos verzehrten Frühstück eine Weile nur jene kleinen
     Worte, die nicht mehr sind als wohltuendes Geräusch in den Ohren.
    Während dieses ganzen höflichen Gewispers betrachtete ich Madame de Brézolles mit innigster Glut. Und sie sparte ihrerseits
     nicht mit zärtlichen Blicken und Mienen. Ihres resoluten Wesens eingedenk, sagte ich mir aber, daß sie gewiß als erste zum
     Wesentlichen käme. Wie es denn auch geschah.
    »Monsieur«, begann sie, »als der König Eure Grafschaft Orbieu zum Herzogtum erhob, schriebt Ihr mir einen wunderschönen Brief,
     den ich so oft las, bis ich ihn auswendig wußte. Ihr wollt, sagtet Ihr darin, wenngleich nun Herzog und Pair, Euch alle Mühe
     geben, nicht dünkelhaft, prahlerisch und überheblich zu werden, um Eurer Umgebung kein Ärgernis zu geben. Mein Freund, ich
     kann gar nicht sagen«, fuhr Madame de Brézolles lächelnd fort, »wie sehr ich diese funkelnde Demut bewundere.«
    »Die ›funkelnde Demut‹, Madame, ist zweifelsohne ein hübscher Fund, aber werft Ihr damit nicht einen kleinen Stein in meinen
     Garten?«
    |14| »Nein, nein, Monsieur! Es ist pures Lob. Denn bedeutet das nicht, daß es, wenn man ist, was Ihr nun seid, ziemlich schwerfällt,
     bescheiden zu sein, ohne daß man sich, ganz zu Unrecht, gleich einer gewissen Künstelei verdächtig macht?«
    »Madame, Ihr müßt Fee oder Hexe sein, daß Ihr einen harschen Stein so rasch in eine blühende Blume verwandelt. Nur sitzt am
     Stengel dieser Blume noch ein Dorn: das Wörtchen ›Künstelei‹.«
    »Wenn ich ihm einen Fingerschnipp gebe, sind wir dann wieder Freunde?«
    »Ich habe nie aufgehört, es zu sein, Madame.«
    »Und ich hoffe, Ihr werdet es noch mehr, Monsieur, wenn Ihr das Weitere vernehmt.«
    »Sprecht, Madame! Ich bin für Euch ganz Herz, ganz Auge und ganz Ohr.«
    »Wie schade, daß Ihr bei Eurer Aufzählung die Hand auslaßt!«
    »Die ist eingeschlossen.«
    »Euer Glück, Monsieur! Nachdem Ihr in Eurem Brief beteuertet, Eurer Umgebung kein Ärgernis durch Hochmut geben zu wollen,
     setztet Ihr hinzu: ›meinen Freunden, meinen Untergebenen‹ und: ›vor allem aber denen, die ich am meisten auf der Welt liebe:
     meinem Sohn und derjenigen, die ihn mir geschenkt hat‹. Erinnert Ihr Euch dieser Worte? Und drücken sie noch aus, was Ihr
     jetzt fühlt?«
    »Voll und ganz.«
    »Seid Ihr Euch klar, daß dieser Satz mehr beinhaltet?«
    »Ich denke.«
    »Es ist also eine Liebeserklärung, die indes nicht so weit geht, um meine Hand anzuhalten, obwohl sie dem sehr nahe kommt.
     Und da, Monsieur, drückt mich der Schuh. Wieso die halben Worte, woher die Zurückhaltung? Seid Ihr Eurer Gefühle für mich
     nicht mehr so sicher? Geht Ihr einen Schritt auf mich zu, nur um einen zurückzuweichen? Oder wollt Ihr, falls Eure Gesinnung
     sich ändert, Euch ein Hintertürchen offenhalten?«
    »Liebste«, entgegnete ich, »erlaubt, Euch klipp und klar zu sagen: Eure Deutung ist absolut irrig. Die Zurückhaltung, die
     Ihr beklagt, war in besagtem Brief nichts als Skrupel und Scheu. Als ich Euch meinen Aufstieg im

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