Rache: Die Eingeschworenen 4
grüßte zurück. Dann humpelte er zu seinem Zelt, und ich hatte das Gefühl, dass sie eben eine stumme Botschaft ausgetauscht hatten.
Schweigend ritten wir in den Abend. Wir schwiegen lange Zeit, und ich hatte Muße, die Gangart seines Pferdes zu beobachten. Es war ein langbeiniges Tier mit vornehm gebogener Nase, ganz anders als unsere Ponys mit der steifen Mähne und den schnellen, kurzen Beinen. Dann erschien Jutos neben mir. Er räusperte sich lange und umständlich. Jetzt kommt’s, dachte ich.
» Es herrscht große Unruhe an den Ufern der Oder«, sagte er leise. » Besonders wenn die Überschwemmungen so schlimm sind.«
Ich sagte nichts, aber ich merkte, dass mein Magen sich langsam drehte wie ein totes Schaf auf dem Fluss. Ich konzentrierte meine Aufmerksamkeit ganz auf meine Haltung auf dem Pferd.
» Wir sind an einer alten Siedlung vorbeigekommen, die wir von früher kannten«, fuhr er fort, » aber sie war abgebrannt. Alle Bewohner tot. Selbst Kinder und Hunde. Alle.«
Er schüttelte den Kopf, als er sich daran erinnerte, und ich versuchte, meine Scham herunterzuwürgen.
» Überall sind polnische Reiter unterwegs«, sagte er, » Hunderte von ihnen. So viele habe ich nicht mehr gesehen, seit sie vor zwei Jahren im Norden gegen die Pommern in den Krieg zogen.«
» Ich habe gehört, die Polen löschen ganze Stämme aus«, sagte ich, nur um etwas zu sagen, ohne etwas preiszugeben, auch wenn die Nachricht von Hunderten von Polen an den Ufern der Oder mir Albträume bereitete. Ich hatte nicht gedacht, dass sie sich das Niederbrennen einer sorbischen Siedlung so zu Herzen nehmen würden, aber genau das war anscheinend der Fall, wie Jutos’ nächste Bemerkung mir deutlich machte.
» Sie suchen ein Masurenmädchen und eine Gruppe von Nordmännern«, sagte er ohne Umschweife, und ich sah ihn an. Endlich war es heraus. Aufs Höchste gespannt wartete ich, was jetzt kommen würde.
» Du hast mit uns Salz gegessen«, fuhr Jutos fort, langsam und vorsichtig, wie ein Mann, der sich durch ein Moor tastet. » Das bedeutet, dass wir dir nichts tun werden, weder dir noch deinen Männern am Fluss. Mein Vater ist natürlich ein noch größerer Ehrenmann als ich, denn er wollte euch das Masurenmädchen abkaufen und euch damit das Leben retten. Ich machte ihm zwar klar, dass das auch für uns gefährlich werden könnte, aber er blieb dabei.«
Ich sah, dass er die Wahrheit sprach, und ich war überrascht und gleichzeitig beschämt, weil ich gedacht hatte, ihre große Gastfreundschaft käme nur daher, weil sie sich nicht mit einer Bande von bewaffneten Raubeinen einlassen wollten. Jetzt begriff ich, dass sie uns bemitleideten, weil wir für sie schon so gut wie tot waren, was nicht besonders ermutigend war.
» Dann werden wir bei euch Verpflegung kaufen und weiterziehen«, erwiderte ich, » ehe man euch für eure Gastfreundschaft bestraft.«
Jutos hängte lässig ein Bein über den Sattel, eine elegante Haltung, wie ich neidvoll anerkennen musste.
» Natürlich«, sagte er, und seine weißen Zähne blitzten in der Dunkelheit, » unsere Verpflichtung endet mit dem abgeschlossenen Handel. Normalerweise lassen wir einen Tag verstreichen, ehe wir etwas unternehmen.«
Ich ging auf die angedeutete Drohung nicht ein und sah ihn abwartend an.
» So großzügig sind wir nicht«, gab ich zurück, » uns reicht schon die Hälfte, wenn wir uns benachteiligt fühlen.«
Der Hund Sipos kam angesprungen und lief neben uns her, und Jutos grinste.
» Er mag dich«, sagte er. » Vielleicht möchtest du ihn eintauschen?«
Ich schüttelte den Kopf. Mich ärgerte dieses Grinsen, harmlos und freundlich und doch gefährlich wie eine Säbelklinge.
» Ich mag Hunde auch«, antwortete ich. » Wie alle Nordmänner. Mit ein paar Rüben, etwas Salz und dem Bodensatz von altem Wein gekocht, sind sie eine richtige Delikatesse.«
Wütend riss er sein Pferd herum, und ich starrte in die seelenvollen Augen des Hundes, bis ich den Blick nicht länger ertragen konnte.
Den Rest des Weges ritten wir schweigend, bis Jutos in der Dunkelheit einen Befehl zischte, seine Männer losgaloppierten und wir stehen blieben. Ein paar Minuten später erschien ein Reiter und sagte etwas zu Jutos, der mich ansah.
» Deine Männer haben ein Lager aufgeschlagen, aber keine Feuer angezündet«, sagte er fast bewundernd. » Meine Männer konnten nicht näher herangehen, ohne gesehen zu werden. Vielleicht solltest du zu ihnen reiten und dich zu erkennen geben, ehe
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