Rache: Die Eingeschworenen 4
aus dem Weg gegangen. Sie wusste, dass alle Männer in Alarmbereitschaft waren und mit der Waffe in der Hand schliefen.
» Geschafft«, sagte sie müde, und ich blinzelte in das Licht ihrer Fackel. Am Horizont dämmerte es.
» Ein Junge«, fügte sie hinzu. » Kerngesund und mit einer kräftigen Stimme. Und die Mutter lebt, was auch gut ist.«
Es war gut; viel zu viele junge Mütter starben bei der Entbindung. In der Lichtung zwischen den ersterbenden Feuern sah ich müde Frauen mit blutigen Händen und eine in Decken gehüllte Gestalt– Sigrid. Etwas abseits saß Botolf, der steif geworden war und sich reckte, er grinste zufrieden und winkte, als ich zu ihm kam, gefolgt von den anderen Männern, bis auf die, die Wache standen.
» Was für eine blutige Angelegenheit«, brummte er und schüttelte den Kopf. » Bei Odins Arsch, Leute, ich habe Schildwälle erlebt, die mit weniger Schwerarbeit und Blut und Schweiß und Geschrei verbunden waren.«
» Zieh diese Hose aus«, sagte Ingrid und kam mit einem Pelzbündel an, in dem ein etwas zerknautschtes rotes Gesichtchen steckte. Darunter, das wusste ich, war jedes Glied mit Leinen umwickelt, damit es gerade und ebenmäßig blieb, nachdem man das Kind in salziger Milch gebadet hatte. Sein kleiner Mund war wie eine klebrige Knospe, denn die Frauen hatten ihm Honig auf den Gaumen gestrichen, um seinen Appetit anzuregen.
» Als Erstes«, sagte eine leise Stimme– und wir alle sahen Sigrid an–, » und weil du am meisten geholfen hast, ihn auf die Welt zu bringen, Gebärstuhl, kannst du ihm seinen Namen geben. Sein Vater hat bestimmt, dass er Olaf heißen soll.«
Botolf rieb sich verwirrt den Bart, gleichzeitig erfreut und verlegen. Ingrid überreichte ihm das Bündel, und stolz übernahm er die Rolle des Vaters. Er stand in seinen eingesauten Hosen auf, hielt das Kind hoch über seinen Kopf und bat laut um Aufmerksamkeit.
» Heya«, brüllte er. » Dies ist der Sohn von König Eirik dem Siegfrohen. Dies ist Olaf, Prinz der Svear und Goten.«
Wir trampelten und klatschten, und das war mehr als nur eine Pflichtübung, denn dieses Kind war jetzt für uns alle der Mittelpunkt, den wir mit unserem Leben verteidigen würden. Wir sahen zu, wie Ingrid es Sigrid übergab, aber schon kurz darauf musste sie es wieder an sich nehmen, weil die erschöpfte junge Mutter eingeschlafen war.
Mir wurde bewusst, dass das Überleben bei der Geburt nur der erste Schritt war und dass die folgenden Tage für die Mutter ebenfalls gefährlich waren. Zu viele von ihnen starben danach, und es gab mir einen Stich, als Thorgunna neben mir stand, selbst voll freudiger Erwartung über unser eigenes Kind.
» Es war schwer für sie«, sagte sie leise, während die Leute langsam den neuen Tag begannen. » Sie braucht jetzt Ruhe, und wir brauchen eine Amme, denn sie kann das kleine Ding nicht selbst stillen.«
» Wird es dann sterben?«, fragte ich alarmiert, weil ich schon fürchtete, die ganze Anstrengung sei umsonst gewesen. Sie schüttelte den Kopf und sah mich mit einem mitleidigen Blick ihrer schwarzen Augen an.
» Natürlich nicht– was für eine Frage. Wir können das Kind ernähren, genau wie junge Ziegen oder Kälber, die keine Mutter haben.«
Das wusste ich sehr gut, denn ich hatte selbst auf diese Art ein Fohlen großgezogen, das ich nicht verlieren wollte. Ich hatte eine Schafsblase als Sauger genommen und sie über ein Trinkhorn mit Milch gezogen. Es war eine schwierige, dreckige Arbeit, wie ich ihr erklärte.
» Das sind Kinder normalerweise immer«, sagte sie und hielt ihren Bauch, während sie sich an mich schmiegte. Einen Moment ließ ich sie kuscheln und streichelte sie geistesabwesend, während es in meinem Kopf fieberhaft arbeitete. Es war unwahrscheinlich, dass wir schnell von hier wegkommen würden, und ich suchte mit den Augen den Horizont nach Anzeichen der Bärenhäuter ab. Fast bildete ich mir ein, ihren heißen Atem schon im Nacken zu spüren.
Sie merkte es, löste sich von mir und wollte gerade etwas sagen, als Toki atemlos angerannt kam und rief, ich solle zu Bjaelfi kommen.
Ich wusste, wo er war; die anderen waren ebenfalls um den Wagen versammelt. Hlenni hatte die Hände des masurischen Mädchens gefesselt und mit einem Lederriemen an sein eigenes Handgelenk gebunden. Der rote Njal, Klepp, Vuokko und die anderen traten näher, als Bjaelfi neben der Leiche im Wagen kniete.
» Und?«, fragte ich und zog mich hoch. Bjaelfi sagte nichts, er schlug nur den wollenen
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