Rache: Die Eingeschworenen 4
Kinder und Frauen vielleicht in Ruhe lassen, statt einen Kampf anzufangen, von dem sie nichts hatten. Nun ja– bis auf die, denen es immer noch um blutige Rache ging, aber ich hoffte, die Bärenhäuter würden sich auf diesen Teil des Unternehmens nicht einlassen. Inzwischen konnten wir den kleinen Prinzen in Sicherheit bringen und, wenn es leicht und schnell genug vonstatten ging, einen guten Vorsprung gewinnen.
» Mit einer Ziege?«, hatte Finn gefragt.
» Wo willst du denn sonst Milch für das Kind herkriegen?«, hatte Thorgunna entgegnet. » Und was der kleine Prinz für Botolf bedeutet, das bedeutet die Ziege für Toki.«
Der riesige Kerl grinste, denn fast schien es, als hätte er eine ganz besondere Art von Seidr, was ihm auch überhaupt nicht peinlich war. Wenn der neugeborene Prinz schrie, dann war es egal, wer ihn wiegte oder ihn zu beruhigen versuchte– selbst wenn seine viel zu schwache Mutter es war–, er hörte nicht eher auf, bis er in Botolfs starken Armen lag, wo er sich sofort beruhigte und zufrieden einschlief.
Der rote Njal und Hlenni Brimill erschienen, und wir umfassten unsere Handgelenke. Ich hatte sie bereits schwören lassen, alles Menschenmögliche zu tun, um den kleinen Koll zu finden und zurückzubringen; meine Vermutung war, dass man ihn zu Ljot Tokeson bringen würde, denn das war Styrbjörns Mann.
Der einzige Grund, warum der Grieche den Sohn von Jarl Brand mitgenommen hatte, war vermutlich, um ihn als Geisel gegen Brand und damit gegen König Eirik zu verwenden.
Randr Sterki hatte keinerlei Interesse an Koll, und genauso wenig an dem neugeborenen Prinzen der Svear und Goten; er wollte nur Rache und würde mit denen, die von seinen Leuten noch übrig waren, Thorgunna und die anderen verfolgen– aber dabei würden die Bärenhäuter nicht mitmachen, jedenfalls hoffte ich das. Die würden hinter uns und dem Kind her sein, in der Hoffnung, diese Sache doch noch zu einem erfolgreichen Ende zu bringen.
Alles das hatte ich den anderen erklärt, und sie hatten genickt, still und mit ernsten Gesichtern. Ich sagte ihnen nichts von dem quälenden Schuldgefühl, das ich Kolls wegen hatte. Ich war so mit allem anderen beschäftigt gewesen, dass ich ihn nur zu gern den Frauen überlassen hatte und auch dem Priester dankbar war, der ihm immer wieder leise und tröstend zusprach. Das wäre meine Aufgabe gewesen, aber ich war zu sehr um unser aller Sicherheit bemüht, um zu merken, in welcher Gefahr er schwebte.
Ein schöner Pflegevater war ich, und jetzt würde ich wohl nie herausfinden, ob ich im Laufe der Zeit besser geworden wäre, denn entweder er oder ich– oder wir beide– würden bald tot sein.
Die anderen kamen, um uns Lebewohl zu sagen, sodass ich froh war, als ich endlich gehen und den Abschiedsschmerz hinter mir lassen konnte. Ihre Gesichter, die im fahlen Morgenlicht nichts als helle Flecken waren, sahen mich unverwandt und traurig an, genauso wie ich sie angesehen hatte, denn ich ahnte, ich würde sie nie wiedersehen.
Allein Thorgunnas Gesicht, voll Schmerz und totenblass, blieb mir auf dem ganzen Weg bis zur Brücke vor Augen.
Es war eine gute, solide Brücke, wie Finn schon gesagt hatte. Sie war schmal genug, dass zwei Männer sie gegen viele verteidigen konnten.
Botolf sah uns an, von einem zum anderen, in einem Arm den Säugling, die andere Hand auf Tokis Kopf.
» Knochen, Blut und Stahl«, sagte Finn und gab ihm den Sack mit den Windeln. Wir sagten nichts weiter, ein Nicken, ein Umfassen der Handgelenke, dann drehte Botolf sich entschlossen um und hinkte über die Brücke, Toki und die widerstrebende Ziege hinter ihm her.
Er sah sich nicht mehr um, und doch wusste ich, er sah uns und würde uns sehen, solange er lebte, auf dieser Brücke und lebend. Wie Storchenbein, der vor langer Zeit unter einem Ansturm von Schwertern an einem Strand gestorben war, uns aber erst davonsegeln ließ. Da wir seinen Tod nicht gesehen hatten, kämpfte er vielleicht immer noch.
» Das wär’s dann«, sagte Finn, als der Mann, der Junge und die Ziege verschwunden waren. Er sah über die Brückenmauer, als wollte er nach Trollen Ausschau halten, dann zog er den Godi hervor und betrachtete kritisch die Klinge.
» Über dir hängt kein Todesurteil«, sagte ich zu ihm, obwohl ich mir dabei vor Angst fast in die Hose machte. » Du solltest mit ihnen gehen.«
Finn hob eine Augenbraue und sah mich unter seinem wirren Haar an, das er nie zurückband, weil man dann gesehen hätte, dass er
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