Rache: Die Eingeschworenen 4
Großen Stadt verkehrt hast, und man muss sich wirklich wundern, wie du ihre Gedanken erraten kannst, das muss ich sagen.«
Alle stimmten zu und nickten.
» Dann kannst du mir vielleicht auch das sagen«, fuhr Onund fort. » Warum hat dieser Grieche den kleinen Koll mitgenommen?«
Kapitel 7
Es war eine gute, solide Brücke, aus Stein gebaut, so lang wie zwei große Männer und breit genug, dass ein Wagen darüberfahren konnte. Weit unten gluckerte und plätscherte der Bach, der die Schlucht geschaffen hatte, und das silberhelle Wasser ließ die Quarzkristalle in den grün bemoosten Felsen aufblitzen. Juwelen des Bergkönigs, wie Finn in einer poetischen Anwandlung bemerkte.
Doch so war unsere Stimmung, als wir dort warteten, denn ich dachte, dass der Faden, den die Nornen für mich spannen, hier für mich sein Ende finden würde. Ich hatte Odin ein Leben angeboten, und ich wusste, der Einäugige würde sein Opfer einfordern. Und solange er seinen Teil unserer Abmachung hielt, war das auch in Ordnung.
Denn noch war das Leben schön und schien noch schöner, als wir hier standen und auf die Bärenhäuter warteten, während die Wolken sich wie Schneeberge auftürmten und eine Seeschwalbe, die vom Wind hin und her geworfen wurde, trotzdem ihre Lebenslust in den Himmel schrie, der so blau war wie die Augen eines neugeborenen Kindes.
Auch das gab mir einen schmerzhaften Stich, denn ich würde den Sohn, den Thorgunna erwartete, niemals sehen. Und doch, wenn Odin sich an unseren Pakt hielt, würde dafür ein anderes Kind seinen Weg gehen, der Säugling, den Botolf im Arm hatte und mit dem er jetzt zu der Landzunge über dem Fjord hinaufhinkte. Dann müsste er nur noch auf der anderen Seite hinunterklettern und wäre in Sicherheit. Eine schwere Aufgabe für jemanden mit zwei gesunden Beinen, wie Finn sagte, als er diesen Plan entwickelte, und umso schwerer für jemanden mit einem Holzbein, einem Spatzenhirn und einem Säugling im Arm. Aber das hatte er nicht im Beisein von Botolf gesagt.
» Und in Begleitung eines Jungen, der eine Ziege mitzerren muss«, hatte ich hinzugefügt und hatte versucht, es humorvoll klingen zu lassen. Toki hatte nur das Wort » Ziege« gehört und gab seinem Schützling einen liebevollen Klaps zwischen die dicken Hörner.
Finn hatte irgendeine Antwort gebrummt, da gesellte sich Botolf zu uns. Sein breites Gesicht strahlte, der Säugling war so dick eingepackt, dass es aussah, als drücke er einen alten, zusammengerollten Umhang an seine Brust.
» Hier«, sagte Thordis und schob Finn einen Sack hin. Es war ein guter, wasserdichter Sack aus Walrosshaut, und Botolf sah neugierig hinein, weil er Nahrungsmittel und warme Kleidung darin vermutete. Stattdessen sah er Leinentücher und Moos.
» Soll ich das etwa essen, Weib?«, beschwerte er sich, und sie schlug ihm auf den Arm.
» Nein«, sagte sie, aber weniger scharfzüngig, als sie es normalerweise getan hätte, denn sie hatte Angst um ihn. » Damit sollst du den Arsch des Kindes sauber halten. Und deiner eigenen Hose nach zu urteilen, könntest du das für dich auch gleich lernen, ehe wir heiraten.«
Finn knurrte, als habe sie ihn geschlagen, und die Umstehenden lachten; es war das zu laute Lachen von Menschen, denen eigentlich nicht nach Lachen zumute ist. Botolf hängte sich einen ähnlichen Sack über die Schulter, in dem alles war, was zur Ernährung des schlafenden kleinen Prinzen nötig war, dann drehte er sich um und grinste Toki und die Ziege an.
» Bist du so weit, kleiner Mann?«, fragte er, und Toki, der vor Aufregung zitterte, nickte eifrig, doch dann verdüsterte sich sein Gesicht, als Aoife, den Tränen nahe, ihn umarmte.
» Kümmere dich um meinen kleinen Helden«, bat sie Botolf, und er tätschelte ihr liebevoll die Schulter. Dann ging er zu der jungen Mutter, die von Kissen gestützt auf dem Wagen saß und blass war wie ein Wolfsfell im Winter.
» Pass gut auf meinen Sohn auf, Gebärstuhl«, sagte die Königin mit schwacher Stimme.
» Er wird heil und gesund ankommen«, versprach Botolf, und Finn schüttelte den Kopf über die Entschlossenheit, die aus seiner Stimme klang. Er dachte daran, dass dieser Mann noch vor ein paar Tagen die Königin samt ihrem Kind zurücklassen und ins Gebirge flüchten wollte.
Im kalten Morgengrauen schien es ein guter Plan zu sein, das Kind von der Mutter zu trennen und so den Feind gründlich in die Irre zu führen. Es kam ihnen ja nur auf dieses Kind an, also würden sie die anderen
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