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Rache: Die Eingeschworenen 4

Rache: Die Eingeschworenen 4

Titel: Rache: Die Eingeschworenen 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Low
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klammerte ich mich, als er auf die Tischkante kletterte. Einen Moment wog er sie in der linken Hand, er runzelte die Stirn, und mein Herz tat einen Freudensprung. Er war sich nicht sicher, er hatte im linken Handgelenk nicht genug Kraft.
    Das vermutete auch Finn, der ihn angrinste und damit den Druck noch verstärkte. Zögernd hob Stammkel die Axt hoch– und sie bebte. Die Zuschauer, die es bemerkt hatten, stöhnten auf, und Finns Grinsen wurde noch unverschämter, was Stammkel sah.
    Dann fing der Rotbart zu meinem Entsetzen an zu lachen. Stammkel hob die Axt noch höher, drehte sie und ließ sie sacht herab, küsste sie lange und vorsichtig, dann richtete er sich auf und ließ sie auf den Boden hinab.
    » Du solltest wissen, kleiner Mann«, sagte er zu Finn, dass ich meist mit zwei Streitäxten kämpfe, in jeder Hand eine, nur so zum Spaß.«
    Das Gebrüll, Gejohle und Getrommel dauerte lange, ehe es wieder leiser wurde. In der Zwischenzeit war ich zusammengesackt wie ein leerer Weinschlauch; ich merkte, dass Pallig mich ansah und dass sein fettiges Gesicht triumphierend strahlte.
    Ich sah auch Finns Gesicht, was mir mehr Sorge bereitete, denn es war wie versteinert. Er nahm Stammkel die Axt ab und wartete. Dann nahm er die andere, Stammkels eigene Langaxt, und sprang wieder auf die Tischkante.
    Mein Herz hämmerte so laut, dass ich dachte, die Umstehenden könnten es hören. Finn streckte die Arme aus, in jeder Hand eine Axt, wobei eine schwerer war als die andere, was die Sache fast unmöglich machte. Er sah Stammkel an, der allerdings nur mäßiges Interesse zu zeigen schien.
    » Zu einem richtigen Kuss gehören zwei Lippen«, sagte Finn und hob beide Äxte hoch.
    Ich hoffte, der Skalde sähe genau hin, denn wenn je eine Heldentat der Eingeschworenen eine gute Sage verdiente, dann die, wie Finn beide Töchter Odins zugleich küsste. Er ließ sie herab, und ich knirschte mit den Zähnen, um nicht laut aufzuschreien, als die linke– Stammkels eigene Axt– leicht schwankte. Doch dann wurde sie ruhig, und beide Töchter Odins küssten Finns Lippen– ganz zart, wie man es von Jungfrauen erwartete.
    Jetzt brach ein regelrechter Aufruhr los. Auch ich vergaß meine Würde und brüllte mit, als Finn vom Tisch sprang und die Köpfe der Äxte auf den Boden sinken ließ.
    Stammkel– man muss es ihm lassen– nickte ein paarmal, als der Lärm sich gelegt hatte, denn es entging niemandem, dass hier eine Legende im Entstehen war, und jeder wollte genau hören, was gesagt wurde.
    » Du küsst gut für einen Jungen«, sagte Stammkel. » Aber jetzt zeige ich dir, wie ein Mann das macht.«
    Er war so überheblich, dass ich wieder unruhig wurde. Er würde es doch nicht etwa nachmachen wollen? Niemand, der einigermaßen bei Verstand war, würde das versuchen. Ich spürte den bekannten Stein im Magen– wie weit würden sie es noch treiben?
    Krähenbein hob seinen blonden Kopf, und ich sah, er hatte denselben Gedanken. Stammkel stemmte die Äxte in die Höhe, und plötzlich ertönte in der Halle ein rhythmischer Schlachtruf, erst leise, dann immer lauter werdend, wobei Fäuste und Krüge im Takt auf die Tischplatten niedersausten: Stamm-kel, Stamm-kel, Stamm-kel!
    Er war gerade an dem Punkt, wo er die Äxte seinem Gesicht zuwandte, als Krähenbein sich etwas gerader aufsetzte, ein Junge, der neugierig den Hals reckte, um keinen Moment dieser außerordentlichen Darbietung zu verpassen.
    Doch damit hatte er sein Gewicht von der Tischplatte genommen, sie erzitterte und senkte sich am anderen Ende leicht unter Stammkels Gewicht. Er wackelte. Die Axt in seiner rechten Hand, die wahre Tochter Odins, bebte. Beinahe hätte er es geschafft, die Bewegung auszugleichen, aber es gelang ihm nicht mehr. Das Gewicht der schweren, reich verzierten Waffe war zu viel, und mit einem Schrei riss Stammkel seinen Kopf zur Seite und sprang vom Tisch, während beide Äxte neben ihm zu Boden polterten. Sein Gesicht war blutig.
    Sofort war Finn an seiner Seite, hob die Hand und wischte ihm das Blut von der verletzten Wange. Dann grinste er und schlug Stammkel auf die Schulter.
    » Ja«, sagte er zufrieden, » das gibt eine schöne Narbe. Die wird dich berühmt machen.«
    Stammkel sah Palligs finsteres Gesicht. Dann wanderte sein Blick zu Krähenbein, und mein Herz klopfte wie wild. Schließlich sah er in Finns strahlendes Gesicht, und ich wartete auf die Anklagen, den Wutausbruch, das Blutvergießen. Ich stöhnte– so war es wirklich nicht geplant

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