Rache: Die Eingeschworenen 4
zu Boden, sodass er grunzte und ich um Atem rang. Er kämpfte wie ein wildes Tier, er wollte loskommen und wieder aufstehen, damit er sein Schwert einsetzen konnte. Doch ich dachte an den Kampf zwischen Hring und dem Berserker Storchenbein, der vor Wut schäumend den erfolglosen Hring in blutige Stücke gehackt hatte. Also klammerte ich mich am Fell des Bärenhäuters fest wie eine Katze am Baumstamm.
Er brüllte und schlug mit dem Schwertgriff auf mich ein. Ich spürte einen Schlag auf der Schulter, dann einen weiteren, der mich Sterne sehen ließ und mir die Haut vom Gesicht riss. Ich schmeckte Blut und bereitete mich auf mein Ende vor, denn ich konnte ihn nicht länger festhalten.
Wieder ein Schlag. Ich sah Blitze, mein Kopf schien mit Feuer und Eis gefüllt und weit weg zu fliegen. Dann stieg vor mir etwas aus der Tiefe auf, dunkel, kalt und schleimig, und ich wusste, was es war, nämlich Bruder Johannes’ Hölle. Ich machte mich bereit für sie, ich schmeckte Angst und Feuer, und plötzlich erfasste mich eine animalische Wildheit, die mich alles vergessen ließ und an den Rand des Wahnsinns brachte.
» Ja«, hörte ich mich sagen. Ich öffnete die Augen und sah den bleichen, pulsierenden Hals des Bärenhäuters dicht vor meinem Gesicht. Ich spürte seinen struppigen Bart an meinen Lippen.
Dann riss ich den Mund auf und zerfleischte ihm die Kehle.
Bald darauf zogen sie mich von dem Toten fort, aber ich merkte nichts davon. Ljot war tot und hatte Finns römischen Nagel im Auge, die anderen waren schnell erledigt und ausgeraubt, denn der Aufruhr hatte die Leute in der Halle aufgescheucht wie einen Bienenschwarm.
Wie Finn den fassungslosen Eingeschworenen später versicherte, war es der Anblick gewesen, wie ich die Kehle des Berserkers durchbiss, der die Sache entschieden hatte. Als Ljot und seine Männer das sahen, waren sie vor Schreck wie erstarrt, also war es leicht gewesen, sie zu töten. Dann waren wir alle zum Fluss gerannt, um aufs Schiff zu kommen, Styrbjörn ebenfalls.
Ich wusste lange nichts davon. Ich hatte Schmerzen am ganzen Körper, mein Kopf brummte, und mir war kotzübel. Ich hatte schon vorher einmal mit dem Krötenschleim der Berserker Bekanntschaft gemacht, damals, als ich mit Gudliefs Sohn kämpfte, nachdem er in Sarkel Rurik umgebracht hatte. Dabei hatte ich an meiner linken Hand Finger verloren, ohne es richtig zu merken.
Aber wenigstens hatte ich damals anständig mit Schwert und Schild gekämpft, und ich hatte den Wahnsinn mit meiner großen Trauer erklärt, denn ich hatte Rurik für meinen Vater gehalten, bis er mich über den wahren Sachverhalt aufklärte, zwei Wimpernschläge ehe er sich nach Walhall aufmachte.
Doch diesmal waren da nur dunkler Wahnsinn und das leichte Pulsieren an seinem Hals gewesen, zusammen mit dem Geschmack von Blut in meinem Mund und seiner Angst, als er wusste, dass er sterben würde.
Und ich hatte es genossen.
Kapitel 11
Der rote Njal war im Bug so weit hochgeklettert, wie er konnte, hatte die Arme liebevoll um das geschnitzte Tier geschlungen und hielt jetzt Ausschau nach Anzeichen auf der Wasseroberfläche, die auf verborgene Hindernisse hinweisen konnten. Er machte erst gar nicht den Versuch zu sprechen, denn der Wind riss ihm die Worte vom Mund, er drückte ihm die Kleider gegen den Körper und zerrte wild an Haaren und Bart.
Die Ruder bogen sich, die Männer keuchten vor Anstrengung und hielten die Augen fest auf den Schlagmann gerichtet. Hier schlug niemand den Takt auf der Trommel, wie es auf arabischen und griechischen Schiffen üblich war; was für einen Sinn hätte es auch, sich zu einem Strandhogg heranzuschleichen und dabei zu trommeln?
Trotzdem, leise waren wir auch nicht gerade. Die Kurze Schlange kämpfte sich knarrend und ächzend den Fluss hinauf, dessen Wasser aufgewühlt war vom kalten Wind, der über die Flussauen brüllte wie ein brünstiger Elch und die Bäume und Sträucher am Ufer bog.
Ich stand auf dem Mastfisch und betrachtete grinsend die Ruderer, die ihre Kettenhemden ausgezogen hatten; viele waren bis zur Hüfte nackt und schwitzten trotz des Windes, der aber zum Teil auch für ihr Schwitzen verantwortlich war, denn er wechselte ständig und kam bald von der Seite, bald von vorn. Zusammen mit der Strömung war das ein hartes Stück Arbeit für die Ruderer.
» Wir könnten irgendwo anlegen und abwarten, dass der Wind sich dreht«, sagte Krähenbein, dessen Stimme sich ständig überschlug. Er saß da und hatte sich in
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