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Rache: Die Eingeschworenen 4

Rache: Die Eingeschworenen 4

Titel: Rache: Die Eingeschworenen 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Low
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entspringt.«
    Also sagte ich, wer Lust hätte, könne auf die Jagd gehen, und sofort hellten sich die Gesichter auf bei dem Gedanken, dass man sich so vielleicht vor dem Rudern drücken könnte; die Männer machten schon im Schlaf ihre Ruderbewegungen und stießen sich auf dem engen Schiff nachts gegenseitig an.
    Dann erinnerte ich sie an die Redaren und die Zirzipanen, die Wagrier, Daleminzen, Milzener und Abodriten, die sich alle riesig freuen würden, wenn sie jagende Nordmänner auf ihrem Gebiet anträfen. Sie würden zweifellos herzlich willkommen geheißen.
    » Mit einem Pfahl im Arsch«, fügte Finn hinzu, und der rote Njal warf den Kopf zurück und brüllte vor Lachen.
    » Gefender heilir«, intonierte er im nächsten Moment, » gestr er inn kominn. Gegrüßt sei der Gastgeber, ein Gast ist gekommen.«
    » Hvar skal sitja sja? Mjok er bradr, sa er brondum skal, sins um freista framr. – Wo soll dieser sitzen? Er ist sehr ungeduldig, der auf dem Feuerholz sitzen muss, um sein Glück zu probieren«, vollendete Styrbjörn, und diejenigen, die die altehrwürdigen Sprüche Odins kannten, amüsierten sich königlich über ihren Witz.
    In dieser Nacht versuchte ich, einmal in aller Ruhe mit dem Masurenmädchen zu reden. Sie saß da wie ein verängstigter Hase. Ihre dunklen Seehundaugen wirkten in dem schmalen Gesicht viel zu groß. Zu groß für diese schmächtigen Schultern, um die sie den Umhang geworfen hatte, den Königin Sigrid ihr geschenkt hatte, zu groß auch für die kleinen Füße, die unter dem grauweißen Gewand hervorlugten und in kleinen, vorn hochgebogenen Schuhen steckten, ebenfalls ein Geschenk.
    Die großen, behaarten Svear und Iren zogen bei ihrem Anblick die Brauen hoch und verdrehten die Augen, während sie ins Leere starrte, als sei sie aus Holz geschnitzt. Nachts ließ ich sie von Männern bewachen, denen ich vertrauen konnte, meist Finnlaith und Ospak. Sie war jung und zierlich, aber dies waren Männer der Wiken, und wenn einige von ihnen noch keine sterbende Frau auf einem toten Ochsen gebumst hatten, dann nur aus Mangel an Gelegenheit. Diese hier würden im Notfall sogar ein Astloch bumsen.
    Ich setzte mich neben sie und sah sie freundlich an. Sie warf mir einen kurzen Blick zu, sagte aber nichts, und ich sah, wie die Ruderer vor uns sich die Hälse verrenkten, um zu sehen, was ihr Jarl vorhatte.
    Sie wussten, dass das Mädchen keine Sklavin, sondern äußerst wertvoll war und dass ich allen geraten hatte, ihr fernzubleiben, nicht mit ihr zu reden und sie nicht anzurühren, anderenfalls würde ich– bei Odins Hammer– sie an einen Baum binden und ihre hängenden Schwänze den sorbischen Frauen überlassen.
    » Ich hoffe, du hast es bequem und fürchtest dich nicht«, sagte ich langsam, weil ich wusste, dass sie nicht gut Nordisch sprach; ich dagegen konnte weder Wendisch noch die Sprache der Polanen, die sie vermutlich sprach, und Masurisch konnte ich schon gar nicht. » Du machst dir Gedanken darüber, warum ich dich mitgenommen habe, nicht wahr?«
    » Nein.«
    Die Antwort, die ausdruckslos und leise kam, überraschte mich, aber ihr Gesichtsausdruck veränderte sich nicht, und ihre Augen – diese Augen waren dunkel wie Fjorde. Ich hatte das Gefühl, als liege eine tiefe, alte Weisheit darin, und für einen kurzen, schrecklichen Moment stand mir wieder Hild vor Augen, die Wahnsinnige, die uns zu Attilas Schatz geführt hatte. Ich merkte, wie Krähenbein mich ansah, aber sein Gesicht war im Schatten, und ich konnte seine Augen nicht sehen.
    Etwas daran störte mich– aber schließlich störte mich im Moment alles, ich war wie eine Katze im Sturm, deren Fell gegen den Strich geblasen wird. So fühlt man sich, wenn man seinem Untergang entgegensieht. Wenn man einem Menschen die Kehle durchgebissen hatte.
    » Du hast keine Angst?«, brachte ich heraus, und sie schüttelte den Kopf.
    » Nein. Du hast mich mitgenommen, weil der Mann mit dem platten Gesicht und der Trommel es dir gesagt hat. Du hast mich mitgenommen, weil die Polanen mich haben wollen und du vielleicht mit ihnen handeln musst. Es ist gefährlich; sie werden bestimmt versuchen, mich zu rauben, wenn sie wissen, wo ich bin.«
    Der Sachverhalt war ihr also völlig klar, und sie sprach so unbeteiligt darüber, als gehe es gar nicht um sie selbst. Außerdem war es unwahrscheinlich, egal was passierte, dass sie zu ihrem eigenen Volk zurückkehren könnte, das östlich der Polanen lebte. Und doch wusste ich, dass sie sich an diese

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