Rache: Die Eingeschworenen 4

Zeile von der gegenüberliegenden Seite wiederholt wurde, was auf dem Meer eine Hilfe ist, um im gleichen Rhythmus zu bleiben. Im Gegensatz zu dieser Reise ist auf dem offenen Meer auch keine Heimlichkeit nötig, aber wir gingen davon aus, dass hier ohnehin jeder wusste, dass wir da waren, und mit unserem Gesang signalisierten wir den Anwohnern, dass wir nichts Böses im Schilde führten.
    Was kümmert’s uns, wie breit der Minch ist?
    Wer kümmert sich um Wind und Wetter?
    Pullt stärker, Jungs, denn jeder Schlag
    Führt näher uns zu Ruhm und Gold.
    Dieses Lied wurde lauthals gesungen, sodass es vom Wind über das Wasser getragen wurde. Er kam in kurzen, heftigen Böen, sprang uns an wie ein übermütiger junger Hund und verschwand genauso plötzlich wieder, sodass ich mich fragte, wo er geblieben war. Wehte er über die langen, weiten Flussauen endlos weiter, bis in alle Ewigkeit?
    » Vielleicht ist es eine andere Art von dschinn«, meinte der rote Njal, als ich laut darüber nachdachte. » Wie die Sandwirbel, die wir in Serkland gesehen haben.«
    » Oder die aus Schnee, die es im weißen Nichts gab«, fügte Krähenbein hinzu, » und die immer vor einem buran kamen.«
    Die Svear, die ein paarmal die Ostsee hinauf und wieder hinunter gesegelt waren und sich für echte Weltreisende hielten, sahen die alten Eingeschworenen nach diesen Bemerkungen mit etwas anderen Augen an. Jetzt merkten sie, wo wir schon überall gewesen waren, und erinnerten sich wieder an die Geschichten, die man sich über uns erzählte. Dass dieser zwölfjährige Junge schon mehr gesehen und erlebt hatte als sie alle zusammen mit ihren wirren Bärten und Brummstimmen, ging nur schwer in ihre Köpfe, und wie alle, die Krähenbein schon etwas länger kannten, ahnten sie, dass er nicht der junge Grünschnabel war, für den man ihn beim ersten Anblick halten konnte.
    Allerdings machte sie der Gedanke, so erfahrene und weit gereiste Rudergefährten zu haben, auch ein wenig stolz, und deshalb sangen sie, bis sie heiser waren.
    Die Frauen in Skani, die haben keinen Kamm.
    Pullt, Jungs, pullt.
    Halten ihre Haare mit ’ner Gräte zusamm’.
    Pullt, Jungs, pullt.
    Das Lied hallte über das Wasser bis ans Ufer, das mit Bäumen bestanden war, und weiter über die grünen Flussauen, wo die Rehe es hörten, oder vielleicht auch ein Hirte, der uns neugierig beobachtete.
    » Rehe«, sagte Kuritsa spöttisch, als er mich hörte. » Für die gibt’s hier doch gar kein Dickicht, um sich zu verstecken.«
    Bis jetzt hatten die Jäger fünf Enten geschossen, drei Gänse und einmal ein halbes Dutzend Tauben, aber sonst nichts. Doch weiter flussaufwärts, meinte Kuritsa, wenn das Mädchen recht hat und der Wald dichter wird, würde es Rehe geben, und vielleicht sogar Elche.
    » Was wir brauchen, ist ein Strandhogg«, knurrte Finn. » Scheiß auf deine Rehe– suchen wir uns ein Dorf, wo wir Mehl, Räucherfleisch und Bier mitnehmen können. Ja, und auch Frauen, sonst müssen wir tatsächlich noch deine Rehe bumsen.«
    Die Männer in Värmland, die haben keine Schlitten.
    Pullt, Jungs, pullt.
    Kommen voller Stolz auf Fischköpfen geritten.
    Pullt, Jungs, pullt dahin.
    Das Singen hörte an diesem Tag erst spät auf, als der Wind wieder um das Tier am Bug heulte und uns den Atem nahm, weil wir gegen ihn anrudern mussten. Der Himmel wurde stockdunkel, Gewitterwolken türmten sich vor uns auf, aus denen weiße Blitze zuckten und der Regen aufs Wasser prasselte.
    Wir zogen das Segel über uns und nahmen auch noch etwas Zeltleinwand dazu, aber es war eine schrecklich kalte und nasse Nacht, obwohl wir glühende Kohlen auf die Ballaststeine am Mastfisch gehäuft hatten, sodass wir zu unserem durchweichten Brot wenigstens etwas gegrillten Fisch hatten. Wir tranken unser letztes Bier, dann kauerten wir uns eng zusammen und horchten auf das Prasseln des Regens und den Donner. Die blauweißen Blitze blendeten uns, und die Luft roch seltsam und schwer nach Blut.
    Der rote Njal meinte, es sei doch schade, dass Finn immer noch nicht herausgefunden habe, wie sein Hut zu benutzen sei, worauf Finn die Geschichte erzählte, wie er Ivar Wetterhut seine berühmte Kopfbedeckung geraubt hatte. Und alle, die bisher über das zerknautschte, fleckige Ding mit der breiten, ausgefransten Krempe gelacht hatten, betrachteten es jetzt mit etwas mehr Respekt.
    » Haltet euch von euren Kettenhemden und Helmen fern, Jungs«, warnte Aljoscha, » denn wenn es riecht wie in einer Schmiede, dann