Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers
Natürlich war es kein Caspar David Friedrich, aber das Motiv gefiel mir. Dargestellt war eine Heuernte irgendwo in den Alpen und Alpenlandschaften liebte ich ganz besonders. Ich hatte den Namen des Malers im unteren rechten Bildraum längst erkannt. Es war der bekannte Leipziger Erich Otto, dessen malerische Stationen mir bekannt waren. Für solche Motive hatte Mackenrodt Berliner Kunden, die wiederum protzige Rahmen mochten.
Nun standen wir draußen auf dem Flur, wortlos, wie bestellt und nicht abgeholt. Die Wohnungstür hinter uns ging wieder auf. Im Moment glaubte ich an die Gelegenheit, Munkwitz zu guter Letzt beschwichtigen zu können, doch weit gefehlt! Dem Hausbesitzer standen wir nur zu lange auf dem Treppenabsatz. »Sie sind ja immer noch hier – also!! Ziehen Sie die Haustür hinter sich fest zu, wenn Sie gehen!«, forderte er und warf seine Korridortür ins Schloss. Danach hörte man deutlich, wie sich ein Schlüssel drehte. Genau diese Geste war die endgültige Absage an uns, eigentlich mehr an Kalle. Eigentlich war ich der Leidtragende, denn unser Geschäft, sei es für mich nur ein kleiner Obolus aus der Hand Mackenrodt’s gewesen, hatte Kalle, die »Ankaufkoryphäe« vom Berliner Ku’damm, ganz und gar versaut. Die Möglichkeit, an die Meissner Figurengruppe oder an diverse Antik-Möbel und Kleinantiquitäten heran zu kommen, mit denen Munkwitz’ Villa vollgestopft war, schien erst einmal verwirkt.
Wir saßen wieder in unserem Fahrzeug. Kalle schimpfte auf den blöden Ossi Munkwitz und wühlte im Geldbündel Mackenrodt’s herum. Er tat so, als ob ihm der Zaster gehörte. Innerlich schimpfte ich auf Kalle, den Oberspinner ohne Format und Grips im Kopf. Nun fuhren wir unverrichteter Dinge in unser Möbellager nach Eutritzsch, um eine Kommode und zwei potthässliche Speiseservices für Mackenrodt zu verladen. Ich forderte jetzt die Adressenlisten von Kalle zurück, weil ich ihm misstraute und den Verdacht hegte, dass er mein Adressenpotential auf eigene Faust durchkämmen würde. Den Inhalt dieser Liste hatte ich in mühevoller Kleinarbeit aus dem Telefonbuch zusammengetragen. In Kalles Rockaufschlag befanden sich immerhin dreißig Riesen und damit war gut ankaufen auf fremde Kosten. Er brannte sich wieder eine Karo an und fragte: »Wat willst ‘n mit die Liste anfang’, mit leere Taschen noch dazu!« Nach dieser Frechheit rastete ich aus und schlug ihm vor, dass er sich künftig ein Taxi nehmen solle, um seine Ankäufe zu erledigen. Kalle klärte mich nun darüber auf, dass ich ihm als Fahrer zugeteilt sei und »nischt zu mucken hätte!« Daraufhin bin ich ihn angegangen, im wahrsten Sinn des Wortes! Ich stieg aus dem Fahrzeug, begab mich zur Fahrertür, öffnete sie und packte Kalle mit der rechten Hand fest am Jackenkragen, sodass der Stoff knackte. »Was bist ‘n für einer? Keine Ahnung von tuten und blasen! Außerdem haste heute das Geschäft versaut! Wenn ich das dem Mackenrodt erzähl, macht er aus dir zwei junge Pioniere!« Kalle blieb die Ruhe in Person, denn er war als eingefleischter Wessi nicht in der Lage, meinen Ausspruch zu deuten und gab mir die halb zerknüllte Liste zähneknirschend zurück. »Stimmt sowieso nicht«, sagte ich, »die Adressen sind nicht mehr auf dem neusten Stand!« Und wie aktuell die Adressen waren! In einigen Häusern fühlte ich mich bereits wie zu Hause. Kalle nahm jetzt wieder Bezug auf das Munkwitz’sche Ölbild. Er meinte, dass solche schiet Alpenlandschaften wertlos seien. Jetzt wurde ich wieder wütend, doch dann führte einen erfolgreichen Kampf mit mir selbst und blieb gelassen. Ich sann darüber nach, wie ich den Widerling Kalle am schnellsten loswerden könnte. Warum mir Mackenrodt diesen Typen vor die Nase gesetzt hat, habe ich nie verstanden. Kalle zog das Mackenrodt’sche Geldbündel wieder aus der Tasche und spielte damit. Nun zerteilte er es und ein kleinerer Stapel verschwand in einer seiner Gesäßtaschen.
Am nächsten Tag hat mich Mackenrodt zur Rede gestellt. Kalle hat sich darüber beschwert, dass ich ihn nicht rechtzeitig zur Munkwitz’schen Villa kutschiert hätte. Aus diesem Grund sei nun ein riesiges Geschäft geplatzt. Ich verstand die Welt nicht mehr und sann auf Rache. Bevor ich den Mund zu meiner Verteidigung aufmachte, war Mackenrodt von der Bildfläche verschwunden.
Mir war klar, dass Kalle unseren Boss Mackenrodt linken würde und fragte mich, aus welchem Grund. Kalle hat auf Kosten Mackenrodt’s Logis bezogen, zwar
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