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Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers

Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers

Titel: Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Schmidt
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simulierte Magenbeschwerden. Plötzlich waren sie tatsächlich über mich gekommen. Kalle brannte sich wieder eine Karo an und sah mir grinsend ins Gesicht. Dieses Grinsen war das Schlimmste nach seinem Plädoyer über die Ossis. Ich stieg aus dem Fahrzeug, zog ein schmerzverzerrtes Gesicht und presste die Hände auf den Bauch. Kalle öffnete die Fahrertür und plärrte: »Mit euch is eben nischt los!« Dann legte er den Gang ein und düste los. Als Kalle außer Sichtweite war, plante ich, seine Behausung unter die Lupe zu nehmen. Diesen Plan setzte ich auch um – er war in seiner Ausführung eine Art Racheakt und für Kalle ohne Nachteile Ich stieg über eine verräterisch knarrende, frisch geölte Holztreppe ins erste Obergeschoss. Hinter einer alten Flurgarderobe verbarg er grundsätzlich seinen Wohnungsschlüssel, dessen ich mich bemächtigte. Mackenrodt gab irgendwann das Schlüsselversteck preis. Bevor ich die Wohnungstür aufschloss, habe ich mehrere Male geklingelt, um sicher zu sein, keinerlei Insassen anzutreffen. Ich schloss die Tür auf und steckte den Schlüssel von innen ins Schloss, dann bewegte ich mich auf leisen Sohlen vom Flur ins Wohnzimmer – da lag mir das Domizil eines Messis zu Füßen. Hier lag alles chaotisch über- und aufeinander. Gerümpel war kein Ausdruck. In der Zimmermitte befand sich ein schmaler etwa 30 cm breiter Gang. Er führte zur Couch und dann zum Fenster. Das war also Kalles Innenarchitektur, deren Elemente aus Kisten und Pappkartons aller Größen, sowie aus leeren Büchsen und Flaschen bestanden, aufgetürmt bis zur Zimmerdecke! Im Flur bot sich das Gleiche dar. In der Küche waren die chaotischen Zustände sogar bedrückend. Kalle war also, gelinde ausgedrückt, ein Dreckschwein. Letzten Endes wollte ich nur herausbekommen, wer Kalle ist und wer er war. Die Privatsphäre Kalle Zangenbergs war ziemlich leicht zu lokalisieren. Vor allem – er hatte sie in einer Rekordzeit von weniger als sechs Wochen geschaffen. In Nähe von Sofa und Fernseher entdeckte ich einen Packen älterer, zugestellter Briefe, die in großer Eile aufgefetzt waren und separat aufbewahrt wurden. Ich stöberte in ihnen herum und fand Vorladungen des Amtsgerichtes von Berlin-Reinickendorf und Mahnungen über Mahnungen betreffs Unterhalt, was man im Allgemeinen Alimente nennt, dann eine Anzeige wegen Nötigung im Verkehrsraum von Neukölln, wegen Urkundenfälschung in schwerem Fall und das Wichtigste für mich, einen älteren Wohngeldantrag an die entsprechende Wohngeldstelle des Stadtbezirkes Spandau von März 1991! Dieser Antrag wurde zwar vollständig ausgefüllt, aber nie abgesandt. Kalle hatte ja den Ulli Mackenrodt und dessen Firma als Auffanglager an der Hand. Ich las:

    Konrad Spangenberg, geb. am 18.11.1957 in Reinickendorf
    Beruf: Ohne
    Derzeitige Adresse: Nichtsesshaften-Wohnheim, Berlin-Neukölln, Rückertstraße 3

    Kalle war also Konrad Zangenberg, der Sohn von Rosa Zangenberg, geborene Hinkel. Wahrscheinlich gehörte Rosi dem Rotlichtmilieu an, aber nicht der Aristokratie. Darüber gaben mehrere persönliche Briefe Aufschluss, die ich aus dem Papierbündel zog. Zangenberg, also die Koryphäe von Mensch, war nichts weiter als eine total verkrachte Existenz aus der Unterwelt des Westteils von Berlin. Diesen Menschen hatte Mackenrodt zum »Edel-assi« hochgepäppelt. Grund dafür war die Beziehung zu Rosa Zangenberg, alias von. Ich packte den ganzen Papierkram zusammen, warf ihn dorthin, wo er lag und verschwand aus der unheimlichen Atmosphäre Kalles. Mir saß die Zeit im Nacken, weil die Gefahr bestand, entdeckt zu werden. Allerdings benötigte ich für meine Entdeckungsreise kaum zehn Minuten. Als ich die Tür hinter mir zuschloss, stieg ein Briefträger die Treppe hoch und drückte mir einen dicken Brief in die Hand. Auf der Rückseite befand sich folgender Absender:
     
    Polizeidirektion 1, Referat öffentliche Sicherheit in 13357 Berlin.

    »Se sin doch beschtimmt dor Zangenbersch, no?« Der Postbote vergaß das Herr, ich nahm an, bewusst. Außerdem sprach er mit resolutem Unterton. »Isch habbe hier ‘n Einschreim, se müssen quittier ‘n!« Der Postbote verstellte mir jetzt den Weg nach unten. »Nee«, habe ich gesagt, »mit dem Zangenberg habe ich nichts zu tun!« Der Briefträger steckte diese für mich ominöse Briefsendung einfach unter meine Jacke. Ich nahm den Brief und beförderte ihn in seine Umhängetasche zurück und gab ihm zu verstehen, dass ich nicht der Papierkorb des

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