Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers
nicht sehr komfortabel, doch das Domizil konnte sich sehen lassen! Es befand sich in Nähe des Leipziger Chaussee-Hauses, einer Gaststätte am Beginn der Georg-Schumann-Straße. Warum Mackenrodt an Kalle solch einen Narren gefressen hatte, wollte ich natürlich gern erforschen. »Links herum« war Mackenrodt nicht, denn da existierte seine Flamme, die Rosa von Zangenberg aus Berlin-Rummelsburg. Inzwischen stand eine Art Großraumbüro, so nannte es Mackenrodt, unter Pacht. Es handelte sich um eine ausgediente, 500 qm große Industriehalle im Stadtbezirk Plagwitz, in deren Mitte acht verschiedene, altersschwache Stühle um einen ölverschmierten Tisch nebst einiger zerfledderter Sessel standen. Da war noch ein Blumenständer aus dem 15. Jahrhundert, der mit Sebnitzer Kunstblumen aus den »Siebzigern« der ehemaligen DDR dekoriert war. Mackenrodt bezeichnete diesen Blumenständer als echte Fälschung, die Kunstblumen als wahre Pracht und die Sessel als Schnäppchen. Das sprach eben für die »grenzenlose Bescheidenheit« Mackenrodt’s. Auf dem Tisch stand neuerdings ein dreckiges Telefon, welches ich gelegentlich privat benutzte. Jedes Mal, wenn es klingelte, nahm ich das Gespräch entgegen und jedes Mal war Frau Rosa von Zangenberg aus Berlin-Rummelsburg am anderen Ende der Strippe. Immer wenn sie nach Ulli trällerte, war er gerade in Berlin –komisch! Dann hat Frau Zangenberg ganz administrativ verlangt, ich sollte Ulli ans »Tellefon« holen. Einmal rief sie bei mir zu Hause nachts gegen ein Uhr an. Daraufhin habe ich gefragt, ob sie noch bei Trost sei. Diese Frage hat sie offenbar gut verstanden und war plötzlich die Höflichkeit in Person: »Alsoo Schätzel bütte!! Holen Sie den Ulli doch bitte ans Telefon, ich warte ‘nen Moment!« Ich entgegnete, dass dieser Akt zu lange dauern würde, weil Ulli sich in Berlin aufhielte. »In Berlin? Das glaube ich Ihnen nicht! Übrigens, es macht Ihnen wohl nichts aus, eine Dame einfach so in der Sonne stehen zu lassen?«, entgegnete Frau von Zangenberg. Ich war sprachlos. »Von welchem Teil der Erdkugel rufen Sie denn an?«, fragte ich, »bei uns ist tiefe Nacht!« Jetzt trat eine längere Pause ein, dann vernahm ich im Hintergrund klar und deutlich das Getöse einer Bar oder Gaststätte. Das also war das Milieu der Frau von Zangenberg. Sie war hinter Mackenrodt her, wie der Teufel hinter der Seele, obwohl sich dessen Kontostand gerade mal um die fixen Kosten bewegte. Mackenrodt war im Moment der glücklichste Mensch auf der Welt, weil er glaubte, dass Frau von Zangenberg ihn zu erobern gedachte, selbstverständlich aus ehrlichen Motiven heraus! Dann galten für diese Dame immer nur die inneren Werte eines Menschen. In Wahrheit wusste sie aber um das beträchtliche Schwarzgeldvermögen Mackenrodt’s. Weil er gern einen über den Durst zechte und dann gern plauderte, hing sein streng gehütetes Geheimnis im Nu an der großen Glocke, auf den Pfennig genau!
Mackenrodt finanzierte für Kalle das Innenleben einer Wohnung, inklusive der Miete. Sie wurde sogar im Voraus entrichtet. Und da war vor allem die Gunst, die er ihm einräumte. Am nächsten Tag übergab ich Kalle ganz scheinheilig eine brandneue Adressenliste, besonders zu Lindenau und Plagwitz. Einige dieser Bürger waren mir hinreichend bekannt. Ich schickte Kalle gleich zu Lehrer Schuster, mit dem ich vorher absprach, was er Kalle zum Ankauf anbieten würde. Da existierten noch Restbestände alten Hausrates aller Art, den diese Leute abstoßen wollten. Dazu gehörten Kleinmöbel und die zum damaligen Zeitpunkt noch gängigen, so genannten Weichholzmöbel. Lehrer Schuster betätigte sich früher ganz offiziell als Hausmaler, um seine Rente ein wenig aufzubessern. Spitzwegsche Motive hatten es ihm besonders angetan. Die kopierte er auf kleine Maluntergründe, bestehend aus Hartfaser. Dazu verwendete er Acrylfarben. Sein handwerkliches Geschick hat ihn ganz plötzlich verlassen. Da lagen nun diese Kopien gerahmt und ungerahmt in der Wohnung herum, weil sich neuerdings kein Käufer dafür interessierte. Ich habe Schuster angestachelt, diese Bilder einem Händler aufzuschwatzen unter der Maßgabe, dass er sie, und sei es nur für »kleines Geld«, geschlossen absetzen könnte. Dabei hatte ich Kalle im Auge, der mit Sicherheit Kopie und Original in einen Topf werfen würde. Dann fingierte ich einige wichtige Ankäufe in Weimar und Eisenach. Mackenrodt ist einen Tag zuvor nach Berlin gereist und Kalle war für eine
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