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Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers

Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers

Titel: Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Schmidt
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würde den Besitzer schon ausfindig machen. Damit war er aus dem Schneider. Ich fragte mich also im Hause Nr. 58 durch. Da stand ich nun vor einem alten, wunderschönen Emailleschild, worauf der Name Kaminski stand. Diese Familie blieb nach meinen Recherchen übrig. Der Name kam mir überhaupt bekannt vor, und ich dachte dabei an Irma. Außerdem wusste ich, dass sie irgendwo in Eutritzsch hauste. Die Tür öffnete sich und der Wuschelkopf Irmas kam tatsächlich zum Vorschein. An Stelle freundlicher Begrüßung begann sie, mich mit einer weinerlichen Orgie zu empfangen. Irma war so gut wie abgebrannt und benötigte dringend den Verkaufserlös dieser Garderobe. Seit dem Rausschmiss durch Wackernagel gab es für sie keinen neuen Job. Ich sah mir die Flurgarderobe an. Sie war ein Fragment, vermutlich aus den Kopfenden zweier alter Bettgestelle zusammengeschustert. Ich drückte ihr die 50 DM, die sie sich dafür vorgaukelte, einfach in die Hand, dann legte ich noch einen Zehner drauf. Irma war überglücklich und schickte sich an, die so genannte Garderobe von der Wand zu nehmen. Ich wehrte ab und versprach, ihr einen Job zu besorgen. Ich biss mir fast auf die Zunge, weil ich dieses Versprechen viel zu leichtfertig abgegeben hatte. Zwecks Hilfestellung dazu dachte ich an den mit allen Wässerchen gewaschenen Mackenrodt. Schließlich hatte er wie ein Schmied Eisen über Eisen im Feuer.
    Mackenrodt trudelte eine Woche später wie vorgesehen in Leipzig ein. Zugegen war außerdem Adjutant Kalle. Die Herren waren mit einem älteren, knallroten Cadillac vorgefahren und gaben an wie eine Lore Affen. Natürlich war dieses Fahrzeug ein geplantes Verkaufsobjekt, d. h., ein Oldtimer aus der Zeit um 1952. Kalle beachtete mich gar nicht. Er trug eine auffällige Schmalztolle auf dem Kopf und stank fürchterlich nach billiger Parfümerie. Mit diesem Herrn wollte mich Mackenrodt also verkuppeln. Er öffnete den Kofferraum seines Fahrzeuges und fingerte einen papiernen Wisch zwischen Ersatzrad und Radkreuz hervor, auf dem Adressen von angeblich potentiellen Antiquitätenbesitzern verzeichnet waren. Der Zettel war wieder mal so speckig, wie mein Chef selbst. Er hielt mir den Zettel kurz unter die Nase und meinte, ich sollte mich erst einmal an Kalle hängen, der als Stareinkäufer jeden Kunden »knacken« würde. Während der Verkaufsverhandlungen sollte ich mich gefälligst im Hintergrund bewegen und den Rand halten. »... denn Kalle quatscht jeden off’s Pferd roff un wieda runta. Buff!«, so Mackenrodt. Dann himmelte er Kalle an, tätschelte auf seinem rechten Oberarm herum und zupfte ihn am Ohrläppchen, als sei er »vom anderen Ufer«. Mackenrodt hat Kalle möglicherweise zur rechten Hand befördert und ihm ein dickes Bündel Hunderter und größere Geldscheine rüberwachsen lassen. Anstandshalber habe ich weggeschaut. Kalle ließ die Scheine lässig und lose in seiner Hosentasche verschwinden, als hätte er sie selbst gedruckt. Anschließend wollte er sich eine Zigarette in den Mund werfen, doch die HB landete im Rinnstein. Nach dem dritten Versuch gelang sein Jongleurstück, nahm die Zigarette wieder aus dem Mund und pustete den Straßendreck herunter.
    Jedenfalls habe ich den unangenehmen Auftrag erhalten, die »Ankaufskoryphäe« Kalle durch Leipzig zu kutschieren. Der erste Adressat auf einer von mir selbst erstellten Kundenliste war ein Herr Munkwitz vom Kickerlingsberg. Für Kalle war völlig klar, dass er mit einem Herrn, der solch einen dämlichen Namen trägt und auch noch am Kickerlingsberg wohnt, ein leichtes Spiel habe. Den Vornamen Willi habe ich zur Gedankenstütze daneben gekritzelt. Wie gesagt, ich schloss grundsätzlich von Vornamen und Namensschildern auf Altersgruppen. Dabei traf ich meist ins Schwarze. Kalle hat das ignoriert. Er meinte sogar, in der ehemaligen DDR hätte es wegen der hohen Sterblichkeit älterer Leute kaum altdeutsche Vornamen gegeben und schon gar nicht buntmetallene Namensschilder, weil in der Ostzone nur minderwertiges Russenblech existiert habe. Außerdem sei der Name Willi in seinen Kreisen ein Schimpfwort. Solch einen »Willi« wickelte er glatt um den Finger oder zöge ihn mit links und vierzig Fieber über den Tisch. Dann spielte Kalle auf meinen Namen, also Drehwolke, an. Dabei zog er grinsend die Nase kraus und die Oberlippe hoch, sodass man die oberen Schneidezähne sehen konnte. In diesem Moment dachte ich an den radelnden Straßenräuber aus der Weinbergstraße Leutzsch’s und an

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