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Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers

Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers

Titel: Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Schmidt
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vom Gesicht und richtete sich langsam auf. Bis auf die blutende Nase war bei ihm wohl alles okay. Während meiner früheren Boxerlaufbahn hatte ich das Glück, nie einen Knock-out, bzw. K. o. »gefressen« zu haben, doch falls ich im Kampf ausschied, war immer mein angeschlagenes Nasenbein der Grund. Ein tätlicher Angriff auf mich war wohl nicht mehr zu befürchten. Als ich auf die Straße lief, vernahm ich ein entsetzliches Geschrei. Da stand eine ältere Frau, der man die Einkaufstasche entrissen hatte. »Es war ein Dieb per Fahrrad«, hat sie mir gesagt, »der ist in gestrecktem Galopp in Richtung William-Zip-perer-Straße davongerast!« Nun trat die Frau auf der Stelle herum wie ein kleines Kind, was seinen Willen nicht bekommen hat. Möglicherweise steckte ihr noch der Schock in den Gliedern. Der Fahrradgangster war mit dem Tageseinkauf, einer Geldbörse mit fünfundsiebzig DM und sonstigem Schnickschnack, wie Lippenstift, Maniküre usw. auf und davon. Es war wohl der Kompagnon desjenigen, den ich gerade attackierte. Ich stürzte wieder zurück in den Hausflur, doch leider war alles zu spät – kein menschliches Wesen war dort zu sehen. Inzwischen hat man die Polizei gerufen. Ich selbst habe mich aus dem Staub gemacht und bei Familie Gorgas geläutet, allerdings eine halbe Stunde später. Begeisternd war der Empfang nicht gerade. Als ich dann eine Autopanne fingierte, wurden die Leute freundlicher – mir wurde eine alte Spiegelkommode übereignet. Sie stand bislang in vorgenannter Bodenkammer so vor sich hin. »Besser als nichts«, habe ich mir gedacht. Alles was dort sonst noch an Inventar existierte, war eher Müll. Ich transportierte die Kommode in unser Lager nach Eutritzsch. Dort fand ich ein heilloses Chaos vor. Erstens war die Tür zum Lager aufgetreten worden und zweitens hatte man den dort deponierten Hausrat von unten nach oben gekehrt und verschiedene Kleinigkeiten mitgehen lassen. Hochwertige Haushaltsgegenstände lagerten wir dort allerdings nie ein. Die Brettertür war nur mit einem leichten Überwurf gesichert, der wiederum mit zwei kleinen Schräubchen am Türfutter befestigt war. Im Überwurf steckte ursprünglich ein winziges Schlösschen, das jetzt zerbrochen auf dem Ziegelpflaster des Waschhauses lag. Mackenrodt investierte nichts, u. a. musste ich froh sein, dass er mich so recht und schlecht bezahlte. Dann habe ich versucht, ihn in Berlin anzurufen – vergebens! Den Überwurf habe ich einfach wieder angeschraubt, allerdings mit stärkeren Schrauben und ein größeres Vorhängeschloss besorgt. Am nächsten Tag habe ich Mackenrodt vom Einbruch in unserem Lager unterrichtet. Die Konfrontation mit den Leutzscher Straßenräubern habe ich allerdings verschwiegen, da ich vermutete, Mackenrodt würde mir nach diesem Vorkommnis nie wieder Zahlungsmittel vorschießen. Dann meldete er sich für drei Wochen ab, weil er in seiner Berliner Wohnung angeblich eine neue Heizung installieren ließe. Anschließend würde er einen so genannten Stareinkäufer und Fachexperten in punkto »Kunst und Antiquitäten« zur Forcierung unserer Leipzig-Geschäfte einsetzen. Betreffender hätte wohl vor einiger Zeit einen Laden am Kurfürstendamm besessen. Un »det is Kalle«, hat Mackenrodt gesagt, »der wird denn Chef von ‘t Janze, also für Leipzich!« Als ich fragte, warum Kalle den Laden in einer solch tollen Lage von Berlin, eben am Ku’ damm, aufgegeben hat, bekam ich keine plausible Antwort. Allerdings sei Kalle zu Höherem geboren und hat seinen Laden nicht aufgegeben, sondern an einen Subunternehmer weitervermietet. Aus diesem Wirrwarr heraus schlussfolgerte ich, dass Mackenrodt an der ersten Lüge noch nicht erstickt ist und nahm an, dass dieser Kalle nie einen Laden besaß. Ganz beiläufig erhielt ich den Auftrag, noch am gleichen Abend eine alte Flurgarderobe anzukaufen, die ein Kunde telefonisch zum Kauf angeboten hatte. Ich fragte nach der Adresse des Besitzers oder der Besitzerin, doch Mackenrodt glotzte mich an, als hätte ich die unmöglichste Frage der Welt gestellt. So war eben Mackenrodt. Er wühlte in den Taschen seines Kittels herum und beförderte zwei Hände voller dreckiger Zettel zutage. Tatsächlich pusselte Mackenrodt den Standort der Flurgarderobe aus seinem Zettelsammelsurium. Es war die Wittenberger Str. 58. Allerdings gab es nur diese Hausnummer, sonst nichts. An dieser Stelle machte mir Mackenrodt ein dickes Kompliment indem er dokumentierte, ich sei ein pfiffiges Bürschchen und

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