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Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers

Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers

Titel: Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Schmidt
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Hauses sei. »Nu, bloß weil Se Ihre Tür offgeschlossen hamm!« »Das sah nur so aus, mein Herr«, habe ich gesagt, »wenn ich meine Tür aufgeschlossen hätte, würde ich jetzt nicht verschwinden wollen!« »Hähh, Se sin vielleicht ‘n Einbrescher!« »Ich schließe doch keine Tür auf, um dann abzudampfen!«, erwiderte ich. Der Briefträger hat tatsächlich die Klinke heruntergedrückt, um zu prüfen, ob die Tür verschlossen sei. »Nu, da habch mich ähm gedeuscht – Tschuldchung!«, sagte er und verschwand wie ein Geist. Ich verschwand ebenso schnell wie der Briefträger.

    Die Privatsphäre Kalle hätte ich nie zu Gesicht bekommen. Zangenberg war der Meinung, dienstliches grundsätzlich von privatem trennen zu müssen. »So ein Humbug«, sagte ich mir, denn schließlich hatte man in dieser Branche nie Feierabend! Außerdem gab es zwischen ihm und mir nie etwas Privates. Die Gründe, warum sich Kalle derart abschottete, sind mir im Nachhinein klar geworden. Da sich Kalle bislang nicht meldete, ging ich wieder mal allein auf Tour. Mein Weg führte mich in die Schwägrichenstraße. Dort hauste eine alleinstehende Rentnerin auf zweihundert Quadratmetern Wohnfläche im Hochparterre. Ich klingelte, stellte mich vor und wurde freundlich empfangen. »Wagenbret«, sagte die Dame. »Wagenbret mit einem T bitte«, fügte sie hinzu und ließ die Tür offen, weil sie angeblich Besuch erwartete. In der Annahme, dass ich freie Hand hätte, um mir wenigstens den künftig aufzulösenden Haushalt anzusehen, stellte ich meine Kollegmappe auf einen Stuhl. Frau Wagenbret krallte ihre Hände fest ineinander, so dass die Fingerknochen weiß durch die Haut schimmerten. Ich befand mich mit der Dame auf einem riesigen Flur. »Schauen sie«, klärte sie mich auf, »das war einst unsere Spielstätte, ein Kleintheater quasi und dessen Intendantin war ich!«. Um den Flur gruppierten sich mehrere Türen, hinter die ich gern geschaut hätte, aber nichts da! Jetzt knarrte die Treppe schon wieder, ein Herr in langem Ledermantel erschien, schob die Tür auf und stürmte, ohne sich zu artikulieren, einfach in den Flur. Er trug eine Aktentasche unterm Arm. Es zog wie Hechtsuppe. Als ich vorschlug, die Tür zu schließen, wehrte Frau Wagenbret ab. Nun fragte sie den Herrn im Mantel, wer er sei. Die Antwort gab jedoch nur darüber Aufschluss, wie oft er um den Stadtkern von Leipzig gefahren wäre, um endlich in die Schwägrichenstraße zu gelangen. Dann hob er einen Leipziger Stadtanzeiger in die Höhe und bearbeitete das Deckblatt mehrere Male mit dem Handrücken. Dabei erweckte er den Eindruck, als wollte er die Wagenbrets abstrafen, weil sie in der Schwägrichenstraße wohnten. »No«, sagte die Wagenbret, »off‘m Deckblatt steht abber meine Annonce nich, ich meine, weil Se so droff rumkloppen!«. Der Herr im Ledermantel spielte jetzt die beleidigte Leberwurst und sah zu Boden. »Eins zu null für mich!«, dachte ich. Jedenfalls hätte ich mit diesem Herrn nie verhandelt! Trotzdem bewegte sich Frau Wagenbret mit ihm und mit mir über den Flur und öffnete eine der Türen. Dahinter befand sich eine Abstellkammer, die mit irgendwelchem Inventar vollgestopft war. Einerseits schlug mein Herz höher und höher, andererseits fand ich den Herrn im Ledermantel buchstäblich zum Kotzen und auch die Wagenbret, weil sie den anonymen Kunden nicht einfach hinausschmiss. Der Mann mit Mantel grapschte alles an, dann blieb er vor einem Bild stehen und meinte auf hessisch, es sei ein Druck. Er arbeitete mit der gleichen Masche wie Kalle Zangenberg. Mittlerweile hatte ich herausbekommen, dass er aus der Nähe Frankfurts stammte und angeblich Privatsammler war. Sein Daimler war so clever vor dem Hauseingang geparkt, dass man das Firmenschild leicht erkennen konnte. Auf der Fahrzeugtür stand: Ingmar Grützner-Antiquitäten, Frankfurt/Main. Dann zog er eine zerknautschte Visitenkarte aus der Tasche, worauf eben der Firmenname stand und fummelte ein Brillenetui aus seiner Tasche und setzte pro forma seine Brille auf. Rechts im unteren Bildraum war die Signatur M. Schwimmer deutlich zu lesen, auch das Genre war unverkennbar. Da fand man im Bildraum mehrere geschlossene Pferdewagen. In einem Weiher badeten Kinder – ein fahrendes Zigeunervolk also! Es war der Leipziger Maler Max Schwimmer, den ich nach kurzer Zeit erneut in einem Leipziger Haushalt entdeckte. Entweder war der Frankfurter Händler dämlich oder gerissen. Trotzdem ignorierte mich Frau Wagenbret

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