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Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers

Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers

Titel: Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Schmidt
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besessen. »Wir haben eigentlich kein Geld. Diese Werbung da ist doch für den »alten Fritzen «, sagte sie plötzlich. »Wieso?«, fragte ich wieder. »Naja, der Auftrag für das Inserat, also für diese komische Mehrfachschaltung, war ein Abschiedsgruß für den blöden Dinglinger persönlich, weil er den Lamprecht als Hauptabteilungsleiter nicht mehr gebraucht hat. Das Inserat ist ein Schuss in den Ofen, weil die Firma ab morgen nach Polen verlagert wird!« So war das also mit der Lamprechtschen Kulanz. Eigentlich war die Annonce nur ein innerbetrieblicher Racheakt. Meine Verkaufstaktik hat mir in diesem Falle nicht geholfen ich hatte eben Schwein, um ehrlich zu sein!

    Zwischenzeitlich war Mackenrodt wieder in Leipzig gelandet. Ich schlug vor, unsere Anzeigen in den Stadtanzeigern Leipzig und Halle zu platzieren. »Quatsch mit Soße, det Wurschtblatt liest doch keena!«, war die Antwort. »Wat kostet’n so ’ne Anzeije?«, fragte er dann und gab mir letzten Endes doch den Auftrag für eine Kleinanzeige als Fließtext. »Besser als nichts!«, habe ich mir gesagt. Im Nachhinein ärgerte ich mich über Mackenrodt und dessen Meinung über das Anzeigenblatt, welches ich eigentlich aus Überzeugung vertrat. Mackenrodt verpackte nämlich gerade in ihm ein Kaffeeservice. Dabei bewies er außerordentliches Ungeschick. »Macht sich jut, wejen det Papier. Es is nich so hart wie det von die Süddeutsche ßeitung!«, sagte er. Dabei knallte er ganz tollpatschig Obertasse gegen Untertasse, wickelte den Stadtanzeiger drumherum und warf das jeweilige Gedeck in einen Bananenkarton. Dann stellte er immer drei bis vier Kuchenteller lose nebeneinander und stopfte Knüllpapier dazwischen. Ich nahm alles noch einmal aus einander und verpackte jedes Porzellanstück einzeln. Dass Zeitungspapier ein vorzügliches Verpackungsmaterial ist, wusste ich von meinem Vater. Er lobte besonders das »Neue Deutschland« der ehemaligen DDR wegen seines Formates. Als das Service verpackt war, hatte ich von Druckerschwärze gefärbte Hände.
    Am nächsten Tag rief mich meine Auftraggeberin, Frau Schindler, Stadtanzeiger Halle, an und informierte mich, dass die Hauptgeschäftsstelle in Köln gedachte, einen neuen Wind in das Anzeigenblatt zu bringen. Auf der Seite 6 des Stadtanzeigers sollte die Losung »meine Poesie« platziert werden. Geplant waren Texte von Hobbyautoren. Besondere dichterische Leistungen sollten sogar prämiert werden. »Schön!«, sagte ich. Aber so einfach wie es klang, war es eben nicht. Der Verlag, bzw. die Redaktion wollte jeweils eine Vokabel der Woche vorgeben, aus der dann ein kurzes Gedicht gezaubert werden sollte. Darüber informierte mich Frau Schindler bereits am Telefon. »Also Sie und ich wollen uns doch mit dem Anzengruber aus Köln treffen!«, sagte sie. Von wollen konnte keine Rede sein. Im ersten Moment dachte ich an Anzengruber, der der Verfasser des altbekannten Romans »Der Sternsteinhof« war. »Nöö, der hat mit dem Sternsteinhof nüscht zu tun! Dieser Anzengruber ist ja tot, aber der, den wir heute erwarten, ist ausgesprochen lebendig, Se werden schon sehen!«, entgegnete Frau Schindler. Dann fuhr sie fort: »Anzengruber kommt jedenfalls nach Halle und will sich morgen Nachmittag mit Ihnen und mit mir zusammensetzen. Er hat ein Attentat auf Sie vor! Was noch wichtiger zu sein scheint, ist die Rhetorik, mit der die Oss..., Tschuldigung, die ostdeutschen Anzeigenberater ins Rennen gehen. Da will Anzengruber mit Ihnen sozusagen ein Seminar durchführen. Also Zeit mitbringen!« »Wieso gerade ich?«, war meine Frage. »Naja, Sie sind leicht verfügbar und tragen eine vernünftige Frisur!«, war die Antwort. »Ich bin aber kein Dichter und war es nie!«, entgegnete ich. »Macht nichts!«, gab die Schindler zurück, »heute wird soviel Mist fabriziert, da fällt es gar nicht auf, wenn Sie nichts Gescheites zuwege bringen!« »Toll!«, dachte ich, »eine vernünftige Frisur macht’s schon!« »Also Herr Drehwolke, es geht natürlich auch darum, wie Sie die Kunden dazu bewegen, bei uns zu inserieren und das sollen Sie demonstrieren!« Ich glänzte zwar nie mit meinen Umsätzen, war aber für Sachsen und Anhalt beinahe der »Matador« in Punkto vertraglicher Abschlüsse. Andere Mitarbeiter hingegen kamen zu einem Abschluss pro Monat. Ich ließ mich also auf ein gemeinsames Treffen mit diesem Anzen-gruber ein, obwohl mich Mackenrodt für die nächsten Tage schon »verheizt« hatte. Da war z.B. ein Büchernachlass

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