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Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers

Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers

Titel: Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Schmidt
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Weise mit Altpapier zudeckte. »Schlagkräftiges Blatt«, meinte ein grau melierter Herr, der sich mit Lamprecht vorstellte und mir die Hand gab. Es war natürlich ironisch gemeint. Es war der Mitarbeiter der Containerfirma, der schon sehnsüchtig auf mich wartete. »Wollmer mal!«, sagte er und wies mit der rechten Hand die Richtung. Für Lamprecht hatte der Stadtanzeiger eine Dreifachfunktion. Erstens war es als Packpapier gut zu gebrauchen, zweitens gab es dafür Geld, falls man es als Sekundärrohstoff behandelte und drittens bestand die Möglichkeit, darin eine Anzeige zu platzieren, die möglicherweise nie entdeckt würde. Das alles gab Lamprecht im Treppenhaus von sich, also auf dem Weg zu seinem Büro. Ich ahnte Schreckliches. Die Firma Dinglinger und Co sah vor, nichts in Richtung Werbung zu investieren, weil es mit der Konjunktur im Werk zu Ende ging. Lamprecht hatte es dennoch vor. »Werbung ist heute alles!«, hat er gesagt und dabei hämisch gegrinst. Ich nahm an seinem Schreibtisch seitlich Platz, dann stellte eine freundliche Sekretärin eine Tasse auf Lamprechts Platz und dann auf meinen, goss Kaffee ein und stellte Zucker und Milch dazu. Ich öffnete meinen »Attachékoffer« und entnahm meine Beratungsunterlagen. »Was kostet solch eine Anzeige?«, fragte Lamprecht und zeigte auf die Titelseite meines Musterblattes. Dabei fuhr er mit dem Zeigefinger um die Hälfte der Fläche herum. Mir blieb die Spucke weg. Das, was der Herr da mit dem Zeigefinger eingrenzte, würde ungestaltet 2.500 DM kosten, doch ich schwieg. »Sie beraten sich vielleicht erst mal in Ihrer Firma!«, schlug ich vor. Natürlich waren die Kosten für eine solch eindeutige Platzierung in einer Größe von also 29 x 21 cm leicht zu ermitteln. Ich nannte die Summe, die ich grob im Kopf hatte. »Ist ja eigentlich preiswert«, meinte Lamprecht. Ich war perplex. Es ging also die halbe Titelseite des Stadtanzeigers drauf. Dann gab er mir die Vorlage, die im Wesentlichen aus Texten bestand. Die Hauptanzeige war kleiner, aber um den Text gruppierten sich Kleinanzeigen verschiedener Subunternehmen. Lamprecht ließ nur die kleinen Anzeigen um den mittleren Hauptteil der Anzeige gestalten oder besser gesagt, umranden. »Wir müssen schließlich sparen!«, sagte er, grinste wieder und ging in die Vollen: »Wir nehmen ‘ne Mehrfachschaltung! Da gibt’s doch Rabatt nicht?«, fragte Lamprecht jetzt. Ich bejahte, da die zweite Anzeige im Zuge einer Rabattierung ein wenig billiger war und die Dritte gleich um 30 % im Preis gesenkt würde. Bei Vertragsabschluss wäre für Dinglinger & Co eine Rechnungssumme von fast 6.800 DM herausgekommen, aber ich glaubte nicht an den Weihnachtsmann. »Und zum Schluss kriegen wir als Firma noch was ‘raus!«, sagte Lamprecht und lachte schallend. Jetzt ging die Vorzimmertür ganz langsam auf und die von Neugier geplagte Sekretärin lugte vorsichtig durch den Türspalt. »Du, Moni, bring mal noch Kaffee!«, befahl er, und Moni bewegte sich mit Kaffeekanne und wackelndem Hintern artig und leise übers Linoleum. Lamprecht unterschrieb den Vertrag fast blanko, weil ich mit der Ausfertigung noch nicht am Ende war. »Meine Zeit ist knapp geworden, Herr Drehwolke, leider!«, sagte er, »und den abrechnungstechnischen Kram machen Se mit meinem Sekretariat!« Dabei zeigte er auf die Vorzimmertür. Generell rechnete ich alle Aufträge für die Inserate immer 14-tägig in bar ab und zwar in einer Zentrale des Hallenser Stadtanzeigers. Bisher handelte es sich immer nur um kleinere Summen im Vergleich zur Abrechnung des heutigen Auftrages. »Se müssen noch mal wiederkommen, sagen wor mal in zwei Stunden!« und Lamprecht schob mir einen von Dinglinger & Co unterschriebenen und von ihm abgezeichneten Auftrag über den Tisch. Alles war paletti. Ich durfte also 6.800 DM in bar kassieren. Natürlich machte ich mir nie Gedanken über derartige Bargeldkonten und auch nicht darüber, wo sie herkamen. Ich war überpünktlich und quittierte den Erhalt des Zasters. Dann fragte ich nach Lamprecht, den wahnsinnig kulanten Auftraggeber für mein bemerkenswertes Inserat im Leipziger Stadtanzeiger. »Der is fort«, antwortete die Sekretärin. »Wieso?«, fragte ich. »Na gefeuert, sozusachen, hat sich gerade vor ‘ner Stunde empfohlen«. Ich bedauerte das, aber ich freute mich über diesen Auftrag. Dann zählte mir die Sekretärin 6.800 DM in Hundertern vor. Sie hatte nie in ihrem Leben solch eine Summe in der Hand gehalten, geschweige

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