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Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers

Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers

Titel: Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Schmidt
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sich die Tür und die Bahn ruckte an.

    Mackenrodt ist am Tag meiner irrtümlichen Verhaftung ein Stück ziellos durch die Landsberger Straße gefahren und hat den Weg retour angetreten. Er wollte mit mir die Entschädigung der alten Frau Wachsmuth besprechen, so die Aussage Mackenrodt’s. Weil er mich im Gewahrsam der Polizei erblickte, schwebte er wohl in Ängsten, ich könnte womöglich »plaudern«. Dazu berichtete ich, dass man mich lediglich mit Helfried Dombrowski verwechselt hatte. Damit war Mackenrodt zufrieden. Unglücklich war ich jedoch darüber, dass er Umgang mit der Leipziger Unterwelt pflegte. Aus diesem Grund wurde mir der Kontakt zu Mackenrodt in zunehmendem Maße unangenehm. Dass er die alte Frau Wachsmuth entschädigte, war wiederum ein guter Zug, obwohl er dabei seinen Gewinn einstrich. Übrigens sollte ich von ihm eine Art Handgeld bekommen. Dazu schob er einige kleine Scheine über den Tresen. Er dachte sich wohl nichts dabei und wurschtelte im Nachhinein schon wieder in den Scheinen herum, wohl um einen Teil des Zasters zurückzunehmen. Bisher konnte ich mit dem Poltersack Mackenrodt gut umgehen, nach meinem Gutdünken jedenfalls, doch dieses Mal schlug ich ihm empfindlich auf die Finger und steckte das Geld in meine Tasche. Entsetzen schoss aus Mackenrodt’s Augen. Er verstand die Welt nicht mehr und hielt mir im Affekt seine rechte geballte Faust vors Gesicht, dann öffnete er sie und spreizte Daumen und Zeigefinger. Ich hatte das Gefühl, als wollte er darauf schwören, ich sei die Ausgeburt der Hölle. Im Übrigen glaubte ich, dass der beinahe zweijährige Kontakt zwischen mir und Mackenrodt für die Katz gewesen sei. Aus diesem Grund drehte ich mich auf dem Absatz herum und ging. Mackenrodt stellte sich mir in den Weg, um mich zu beschwichtigen. Dabei heulte er mir die Ohren voll, welchen Aufwand er für den Erwerb des so mittelprächtigen Marcolini-Services von Meissen betrieben habe. Allerdings schob er mir noch einen Zweihunderter rüber, wohl aus seinem Schuldbekenntnis heraus. Ich nahm diesen Schein natürlich gern, weil mir das Hemd in finanzieller Hinsicht näher war, als der Rock. Charakterlich fühlte ich mich äußerst schwach und schämte mich vor mir selbst. Letzten Endes ärgerte ich mich nur noch darüber, dass Mackenrodt dieses seltene zweihundert Jahre alte Service als Massenware betrachtete. Nicht dass sich unsere Wege trennten, aber unser Kontakt riss erst einmal ab. Mackenrodt ließ das Möbelgeschäft im Auftrag weiterführen, währenddessen er sich für einige Monate nach Berlin-Moabit verzog. Im Moment war ich schockiert, weil mich mein Brötchengeber in der Luft hängen ließ. Wie ich später erfuhr, war dies keine Marotte gegen mich. Private Gründe waren da im Spiel, die Mackenrodt’s Leben grundlegend veränderten. Mit kontinuierlichen Lohnzahlungen war es aus und vorbei. Eigentlich bewegte mich das nicht sonderlich, denn in den vorangegangenen Tagen hat mich Hasan Ali Abdullah nach Berlin gerufen.

    Frau Wachsmuth war inzwischen in einem besseren Pflegeheim gelandet. Besonders glücklich war ich darüber, dass sie dort ein angenehmes Domizil fand.

Ein Apfelbaum und drei gebrochene Rippen

    Hasan Ali Abdullah brüllte wie ein Geisteskranker durch die Leitung. Er meinte, ich sei längst überfällig. Ich fragte zurück, warum er so brülle, darauf antwortete er, dass sich einige seiner Landsleute wieder mal mit der Polente prügelten und er den daraus resultierenden Radau übertönen müsse. Bis auf einige brennende Fahrzeuge sei alles friedlich verlaufen und sonst alles in »brauner Butter«, so Hasan. Seine Landsleute, die Istanbuler, hörten angeblich gern Deutsche Märsche per Schellackplatte. Natürlich war diesbezüglich eine Kostprobe gemeint und nicht die Marschmusik quer durch den Gemüsegarten. Hasan bat, ich möge doch in die Kreuzberger Gneisenaustraße kommen und wieder mal einen Packen solcher Marschplatten anliefern. Den Torgauer Marsch z. B. hätte er sehr wohl ins Herz geschlossen, den sollte ich bitte nicht vergessen. Hasan wollte mir nur Honig ums Maul schmieren, indem er dieses Musikstück besonders nach vorn spielte. Warum sollte gerade er als Vorderasiate solch einen Marsch mögen? Ich erinnerte mich an das Konvolut Schellackplatten, welches ich vor einigen Wochen nach Berlin transportierte. Es bestand insbesondere aus deutschen Militärmärschen. Der Torgauer Marsch war auch dabei. Er existierte doppelt und dreifach in meiner

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