Rache ist lavendelblau
blickte sie fragend an.
„Conradin hatte eine Klarinette, auf der hat er manchmal abends gespielt, und die kleine Elisabetta hat sich einige Male an dem Instrument versucht. Gibt es die noch?“
„Die gibt´s noch, natürlich, sie liegt, in einem Koffer verstaut, in seinem Arbeitszimmer.“
„Dürften wir die als Erinnerung haben, wenn das nicht zu viel verlangt ist?“
„Komisch, ich hab´ ihn nie spielen gehört, seit er wieder zurück war“, wunderte sich Heidrun. „Meine Kinder spielen leider kein Instrument, ich werde es Ihnen zukommen lassen.“
*
Die Galerie
„Der Tod verändert alles“, sagte Heidrun. Annette war zu Besuch, sie kam fast täglich vorbei; wenn es oft auch nur für ein Viertelstündchen war, Annette kam.
„Ich trage mich mit dem Gedanken, das Haus zu verkaufen. Zu viele Erinnerungen hängen daran, und ich fragte mich schon lange, ob ich es mir wirklich leisten will.“ Annette war über Heidruns Entschluss verwundert.
„Ich dachte immer, dir liegt so viel an dem Haus und dem schönen Garten?“
„Ich bewohne das Riesenhaus jetzt ganz alleine, ehrlich, mir wäre eine schöne Wohnung mit großer Terrasse jetzt lieber. So eine wie du sie hast, vielleicht. Die viele Arbeit, ich mag nicht nur für mein Zuhause arbeiten. Schließlich gehe ich auch noch einem Beruf nach.“
„Jetzt gleich?“
„Ja, sobald als möglich, ich möchte weg von hier. Claus baut sich ein eigenes Haus und Romana ist zu einem Freund gezogen. Ihre Wohnung hat sie vermietet, habe ich erfahren.“ Heidruns Worte - Romana betreffend - klangen bitter.
„Hörst du manchmal etwas von deinen Kindern?“, fragte Annette sanft, bemüht, nicht als neugierige Tratsche dazustehen.
„Ach weißt du, Claus steht unter der Fuchtel von seiner Katrin, der meldet sich nur, wenn sie nicht da ist und Romana, naja, das alte Problem. Sie arbeitet zwar, steckt aber angeblich wieder in finanziellen Schwierigkeiten. Claus hat mir das zugetragen. Ich glaube, sie hat ihren Bruder vorgeschickt, um ein wenig vorzufühlen. Die regelmäßigen Zuwendungen ihres Vaters sind ja jetzt weggefallen, da sucht sie neue Quellen.“
„Aber dein Mann hat doch seinen Kindern einiges an Barem hinterlassen.“
„Claus steckte seines in das neue Haus und Romana, ich weiß ehrlich nicht, was die damit gemacht hat.“ Heidrun war nachdenklich geworden. Rauschgift? Teurer Freund? Luxusleben? Romanas früheres Zimmer ist noch immer ein Sauhaufen. Meine Schmutzwäsche liegt noch drinnen. Annette pflegt ihre Mutter, die will und kann nicht bei mir einziehen. Das Blumenwasser stinkt, ich vergesse schon alles. In den Ferien fahre ich weit weg.
*
„Endlich Ferien“, seufzte Heidrun, „ich bin total erledigt! Zwei Jahre noch Schuldienst, und dann ist Schluss.“ Heidrun war trotz Belastung, Druck und Mühsal, glücklich in ihrem Beruf. Er lenkte sie ab, er forderte sie und brachte sie unter Leute. „Sind zwar nur Jungsters“, sagte sie einmal zu einer Kollegin, die sich über das Niveau und Verhalten der Schüler ausgelassen hatte, „aber besser als grantige und total anspruchslose Alte allemal, irgendwie bleibt man im Schuldienst jünger.“
Heidrun hatte sich soeben am Sofa niedergelassen und ihre Beine hochgelagert, als das Telefon klingelte. Claus war am Apparat.
„Mama, ich hab´ eine Überraschung!“, sprudelte es aus ihm hervor.
„Werde ich Großmutter?“, fragte sie blitzschnell zurück. Claus lachte hellauf.
„Nein, das nicht, wir haben ein anderes Baby. Ich habe Katrin eine Galerie gekauft.“ Er stockte kurz und wartete die Reaktion seiner Mutter ab.
„Mama, bist du noch dran?“
„Äh, ja, was, eine Galerie? Wozu das? Hat Katrin zu wenig Arbeit bei euch im Büro?“ Heidrun war hellauf entrüstet, wollte das aber ihrem Sohn nicht direkt übers Telefon ausrichten.
„Sie arbeitet nicht mehr bei uns, sie will sich ganz der Galerie widmen. Moderne Kunst, du verstehst.“ Heidrun hatte nichts verstanden, wollte und konnte das auch gar nicht verstehen. „Meine Schwiegertochter und eine Kunstgalerie“, dachte sie. „Die kennt doch einen Picasso nicht von einem Hundertwasser auseinander, so was Verrücktes.“
„Mama, wir eröffnen in zwei Tagen und Katrin will dich unbedingt dabeihaben“, stammelte Claus etwas unsicher.
„Warum sagt sie mir das dann nicht selbst?“
„Du kennst sie doch, sie hat einfach Hemmungen“, versuchte er seine Frau zu entschuldigen.
„Aha, Hemmungen“, dachte Heidrun, „wo soll die Hemmungen haben?“
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