Rache ist lavendelblau
Unterstützung zu bitten. Claus hatte sich um die Ausrichtung des Begräbnisses angenommen, unterstützt von seiner Frau, die sich in der neuen Familie gleich ihre Lorbeeren verdienen und dabei Romana ein wenig in den Hintergrund drängen konnte.
„Du willst Chiara treffen?“, fragte Romana vorsichtig. „Ist die noch da?“ Dabei drückte sie sichtlich verunsichert und nervös an einem Teelöffel herum, sodass sich die Knöchel durch die dünne Haut weiß abzeichneten.
„Ja, die ist mit den Kindern im ‚Pechstein‘ abgestiegen. Sie hat mich um eine kurze Unterredung gebeten. Ich schaue heute Abend bei ihr vorbei.“
„Was, Mama, du läufst der nach?“, fauchte Romana aus schmallippigem Mund und zog grimmig ihre Augenbrauen zusammen.
„Sie wollte nicht hierher kommen, das verstehe ich. Und morgen reist sie wieder ab. Sie hat mir gleich zu verstehen gegeben, dass sie von uns nichts will. Romana“, sagte Heidrun sanft zu ihrer Tochter, „es sind auch deine Halbgeschwister.“
„Mama, dein Problem ist, du hast für alle ein so großes Verständnis, nur für mich nicht“, ätzte Romana, wandte ihren Blick ab und blickte wütend aus dem Fenster.
Heidrun schwieg. Der Vorwurf ihrer Tochter hatte sie tief getroffen.
*
„Signora di Paritani erwartet Sie im kleinen Salon, bitte, gleich rechts“, empfing sie der Rezeptionist dienstbeflissen und wies ihr den Weg, nachdem sich Heidrun vorgestellt hatte.
Der Salon war in gedämpftes Licht getaucht. Ein Page eilte herbei und nahm ihr den Mantel ab. Chiara war nicht zu übersehen. Als sie Heidrun in der Schwingtür erblickt hatte, war sie sogleich aufgestanden und ihr langsam entgegengekommen.
„Ich danke Ihnen, dass Sie sich die Mühe gemacht haben, herzukommen“, sagte sie und fügte, mit einer Handbewegung in Richtung ihrer Kinder, hinzu: „Die Kinder sind noch da, aber die müssen gleich aufs Zimmer.“ Chiara bot Heidrun einen Platz an, so dass sich die beiden Frauen nunmehr gegenübersaßen. Heidrun beobachtete die ehemalige Rivalin, deren dunkelbraune, dichte Locken das Gesicht harmonisch rahmten. Ein dezent gemustertes Tuch hatte sie elegant über die Schultern gelegt, dessen Farben in modischem Kontrast zum dunkelgrauen, schlichten Seidenkleid standen.
Wieviel ist die jünger als ich? Mein Gott, ich bin noch immer eifersüchtig. Sexy?, weiß nicht. Aber Ausstrahlung hat sie. Eine echte Italienerin. Ob sie meine Falten sieht? Einen großen Mund hat sie, ob den Conradin geliebt hat?
Ein Kellner unterbrach Heidruns wirren Gedanken und stellte unüberhörbar die bestellten Getränke auf den Tisch. Conrad und Elisabetta saßen wie angewurzelt auf ihren Stühlen und beäugten verlegen ihr fremdes Gegenüber. „Schöne Kinder“, dachte Heidrun „ob die wissen, dass ich die Ehefrau ihres Vaters bin, oder besser, war?“ Heidrun suchte den Blickkontakt zu ihnen, doch diese wichen, sich gegenseitig suchend, stets verlegen aus. „Wie Conradin aus dem Gesicht geschnitten, besonders das Mädchen“, erkannte Heidrun - ohne einen Anflug von Eifersucht - neidlos an.
„Frau Estermann“, begann Chiara zögerlich.
„Sagen Sie doch einfach Heidrun zu mir, schließlich haben wir einmal denselben Mann geliebt“, unterbrach sie Heidrun und lächelte dabei milde.
„Danke Heidrun, ich bin Chiara, aber das wissen Sie ja schon“, fuhr sie fort. „Also, ich und die Kinder, wir möchten Ihnen, Romana und Claus nochmals unser Mitgefühl ausdrücken. Wir wollten uns am Friedhof nicht unter Ihre Familie mischen, um niemanden zu brüskieren, wir wollten lediglich beim Begräbnis anwesend sein.“
„Danke, Chiara, das war sehr rücksichtsvoll von Ihnen.“
„Heidrun, ich weiß nicht, ob Sie wissen, dass Conradin und ich im Streit auseinandergegangen sind. Wir haben uns seither nie mehr gesehen, auch die Kinder nicht. Er hat wohl stets anständig für sie gesorgt, aber gesehen hat er sie nie wieder. Das tut jetzt umso mehr weh.“ Heidrun spürte Chiaras Schmerz.
„Die Alimente fallen wohl ab sofort aus, aber Ihre Kinder sind erbberechtigt und ich verspreche Ihnen, dass es diesbezüglich keine Schwierigkeiten unsererseits geben wird. Unser Anwalt wird sich mit Ihnen in Verbindung setzen, wenn es so weit ist.“
„Nein, Heidrun, bitte, verstehen Sie mich nicht falsch. Ich habe Sie nicht wegen irgendwelcher Ansprüche hierhergebeten. Ich wollte Sie nur um einen Gefallen ersuchen.“ Chiara griff nach dem Wasserglas, ihre Stimme war rau geworden.
„Ja, was dann?“ Heidrun
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