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Rache ist lavendelblau

Rache ist lavendelblau

Titel: Rache ist lavendelblau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fannie Ennser
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einkommensstarken Betrieb. Westheimer war an die siebzig, er dachte daran, sich bald zur Ruhe zu setzen, lediglich einigen seiner alten, treuen Patienten wollte er noch ein wenig zur Seite stehen. Frau Hasibas altem Vater, einem Parkinsonpatienten, Frau de Haan, schwer zuckerkrank und mit offenen Beinen, Gundl Trübwasser, der gehbehinderten Trafikantin in der Nebenstraße und eben auch Heidrun, die mit rosigen Wangen und von Fieber leicht glänzenden Augen soeben hoffnungsfroh zum ihm aufblickte.
„Ich überstehe das, Walter, du wirst schon sehen.“
„Ja, Heidrun, irgendwie überstehen wir es alle.“ Westheimer erhob sich und suchte Frau Hasiba auf, die sich in der Küche zu schaffen machte.
„Darf´s ein Kaffee sein, Herr Doktor?“, fragte sie den Arzt als er an sie herantrat. Dr. Westheimer war fahl im Gesicht, er wirkte bedrückt, und es schien ihr, als schleppte er einen Sack voll Kummer mit sich.
„Frau Hasiba, ich denke, es ist an der Zeit, die Angehörigen zu verständigen.“ Westheimers Gesichtsnerven zuckten nervös, und die Haushälterin starrte ihn verzagt und mit großen Augen ungläubig an.
*
Der heiße Sand glühte in der Mittagshitze, und die Kinder waren nur schwer zu bewegen, ihre Zimmer aufzusuchen. Mittags gab´s wieder Spaghetti, wie fast jeden Tag, und der Duft von Tomatensauce zog durch den Speisesaal. Conradin wippte im Schaukelstuhl auf der Terrasse sanft auf und ab, genau dort, wo der Lavendel stand. Die blauen Blüten verströmten diesen herben Duft, den Heidrun so sehr liebte. Toscana, Massimiliano. Solveigh stand im Wohnzimmer und betrachtete ihren Wandteppich, froh darüber, ihn nicht verkauft zu haben, somit durfte er nunmehr Heidruns Wand zieren. Ob den Bazar von Sanandadj noch immer diese aufreizenden Gerüche durchzogen? Minze, Safran, Koriander und die staubige Würze von alten Teppichen? Ja, es riecht und schmeckt noch immer nach Orient. Desider stand vor ihr, nackt und erzählte von seiner kranken Frau. Massimiliano, komm doch und besuche mich. Claus trat ins Zimmer, seine Frau an der Hand, sie war hochschwanger. Unser Kind wird Heidrun heißen, so wie du. Katrin hatte sich die Haare rasiert, sie trug Glatze, ihre Kopfhaut war von der Mittagssonne am heißen Strand stark gerötet.
*
Annette hatte sich zu Heidrun gesetzt, streichelte deren heiße Hand, die von trockenen Schuppen übersät und vielen Falten gezeichnet, nahezu bewegungslos auf der Bettdecke ruhte. Sie redete sanft auf die Todkranke ein, deren Blicke unruhig über die Zimmerdecke wanderten und der Freundin verrieten, dass sie ihren Worten kaum mehr folgen konnte.
„Wo ist Romana?“, flüsterte Heidrun plötzlich ganz leise. Annettes Antwort, dass die Tochter schon am Weg sei, nahm sie nickend zur Kenntnis. „Massimiliano reden …“, flüsterte sie kaum hörbar und deutete in Richtung ihres Mobiltelefons, das auf der Kommode lag.
Chiara hob ab. Annette blickte sich nach Heidrun um, sie war eingeschlafen.
„Mein Vater befindet sich in einem Pflegeheim. Sein Zustand ist nahezu unverändert. Wie geht es Heidrun?“ Chiara war erschüttert, als sie von deren Befinden erfuhr. Sie konnte nicht glauben, dass es so schlimm um die Freundin ihres Vaters stand, zu der auch sie im Laufe der Jahre eine Art von Freundschaft aufgebaut hatte, eine innere Nähe, die nicht von Rivalität überschattet war.
„Bitte, sagen Sie Heidrun, dass mein Vater sich immer freut, wenn ich ihm von ihr erzähle. Sagen Sie ihr auch, dass sich die beiden vielleicht bald wiedersehen werden.“
Annette war während des Telefonates mit Chiara nahe an Heidrun herangerückt, sie hoffte auf deren Erwachen, doch Heidrun schlief tief und fest. Noch lange nach ihrer kurzen Unterhaltung vernahm Annette Chiaras Stimme im Raum, die bedächtig gesetzten Worte, den Wohlklang in ihrer Stimme, das mediterran Warme.
Frau Hasiba stand plötzlich neben Annette. „Der Sohn hat angerufen und gefragt, ob es nicht bis morgen Zeit hätte, er ist gerade bei einem Richtfest am Bau und hat getrunken, er kann heute nicht mehr Auto fahren.“
„Rufen Sie ihn zurück und sagen sie ihm, dass es auch Taxis gibt und dass es um Leben und Tod geht!“, befahl Annette in einem Ton, wie er normalerweise nicht der ihre war. Annette atmete schwer, schon einmal hatte sie mit Claus einen Disput ausgetragen, schon einmal hatte sie ihm befohlen, unverzüglich seine Mutter aufzusuchen. „Bin ich froh, dass ich keine Kinder hab´ ich hätte sie …“, murmelte sie und brach den

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