Rache ist lavendelblau
so gerne Enkelkinder, aber meine beiden wollen nicht“, klagte sie und lud Solveigh und deren Tochter Alexandra zu sich ein. „Du weißt ja, die Villa und den Garten hab´ ich nicht mehr, aber die Wohnung mit Dachterrasse ist auch nicht zu verachten.“
„Wie geht’s Claus eigentlich? Seit der Galerieeröffnung habe ich nichts mehr von ihm gehört, von der Galerie allerdings auch nichts mehr“, warf Solveigh ein und zerquetschte ganz bedächtig einen Trinkhalm zwischen ihren Fingern. Heidrun lächelte, sie dachte an die herrlich komische Begegnung der beiden Kontrahentinnen anlässlich der Eröffnung von Katrins „Pinakothek“.
„Sag ehrlich, Solveigh, warst du eingeladen?“
„Ich? Nein, aber ich besuche jede Vernissage, vorausgesetzt sie interessiert mich. Und ich sage dir, Heidrun, die hat mich interessiert.“ Solveigh schmunzelte belustigt, und ihre grünen Augen blitzten förmlich vor Vergnügen. Ihr kurzes, weißblondes Haar stand verwegen ab, so als stünde es in ständigem Zweikampf mit einer Bürste.
„Solveigh, du hast mich soeben auf einen Gedanken gebracht: Heute ist Dienstag, da ist die Galerie offen, ich schaue anschließend noch vorbei. Willst du nicht mitkommen?“, lockte Heidrun.
„Ein andermal, heute geht’s nicht, Alexandra kommt um fünf vom Vater heim, da soll ich doch da sein.“
„Schade, hätte wieder lustig werden können.“
„Heidrun, sag, heckst du etwa was aus?“, fragte sie mit einem leicht belustigten Unterton in der Stimme. Solveigh hatte ihren Kopf ein wenig zur Seite geneigt, ihre Stirn in Falten gelegt und schaute Heidrun, die soeben im Begriff war, aufzustehen, an.
„Nein, Kindchen, wie kommst du da drauf?“
„Bin ich eine böse Schwiegermutter“, dachte Heidrun - schon am Weg zur Galerie - und freute sich diebisch auf ihr Vorhaben, dessen Reifeprozess noch nicht ganz abgeschlossen war.
*
Der Eingangsbereich zur Galerie schien Heidrun heute nicht so einladend wie noch am Tag der Eröffnung. „Klar, es fehlt das viele Licht, irgendwie schäbig, die Fassade“, dachte sie, während sie die Tür aufstieß. Aus dem - im hinteren Bereich liegenden - Büro drang etwas Licht in den vorderen Raum, es war fast totenstill, nur der, auf der Straße vorbeilaufende Verkehr, sendete Lebenszeichen. Heidrun sah sich um. Einige neue Bilder hatten sich zwischen alte gemischt, „Ob etwas verkauft wurde?“ Zeitungen lagen verstreut auf einem Tisch, und darauf stand ein leeres, mit Fingerabdrücken übersätes, Glas. Der ehemals glänzende Lackboden war verschmutzt und klebrig, er lechzte förmlich nach einer gründlichen Reinigung. Von einem Kleiderständer baumelten ein Schal und ein Regenschirm, der wie zur Abwehr eine geknickte Stange von sich streckte. Den schwarzen Kleiderständer aus Bugholz erkannte Heidrun sogleich. Er war aus ihrem Bestand, und Heidrun hatte ihn einmal Claus überlassen, als er den alten „Thonet“ hingebungsvoll bewundert hatte. Dem Studenten der Architektur war damals schon bewusst gewesen, was von Wert und Bestand sei.
„Hallo, Mama! So eine Überraschung!“, rief Claus, als er seine Mutter entdeckte. „Willst nicht weiterkommen? Ich arbeite gerade im Büro“, sagte er und bot ihr einen Stuhl in seinem kleinen Kämmerlein an. Heidrun erinnerte sich an den Streit, den er und seine Frau am Tage der Eröffnung hier ausgetragen hatten, als unvermittelt Solveigh aufgetaucht war. Heidrun blickte um sich. „Das gleiche Chaos wie vorne“, dachte sie und wunderte sich über ihren Sohn, der diesen Missstand zuließ.
„Ich arbeite heute hier“, sagte Claus etwas verlegen und deutete mit einer Hand auf die vor ihm gestapelten Papiere. An der Wand hinter dem Schreibtisch waren einige interessante, großformatige Bilder abgestellt, die wohl nur darauf warteten, ins rechte Licht gerückt zu werden.
„Ich dachte, ich sehe kurz nach dir, weil ich in der Nähe war. Ich habe heute Solveigh besucht, sie ist so fleißig und arbeitet an einem großen Teppich, Auftragsarbeit, hat mich interessiert“, berichtete sie ihm und es klang, als wollte sie ihm die Verflossene in Erinnerung rufen.
Claus sagte nur kurz: „Aha“. Zu mehr schien er nicht fähig zu sein.
„Wo ist übrigens deine Frau? Ich dachte ihr gehört die Galerie“, versuchte sie ihren Sohn aus der Reserve zu locken. Claus wand sich um eine Erklärung. Schließlich sagte er: „Die hat anderswo zu tun“, und blickte kurz zum Fenster hinaus. Jetzt war es an Heidrun, ihrem Sohn ein trockenes
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