Rache ist lavendelblau
…, ich wollte das nicht, ich habe das nicht so gemeint, ich bin nur so nervös, weißt du, es tut mir so leid“, jammerte Claus vor sich hin.
„Was seid Ihr nur für Ratten!“, zeterte sie und wies ihrem Sohn die Tür. „Kein Wort des Mitleids, keine Anteilnahme, nur die Gier beherrscht diese Kinder, ich fühle mich wie in einer griechischen Tragödie“, brüllte sie, nachdem ihr Sohn die Wohnung verlassen hatte. Die Bücherwand, ihre Klagemauer, antwortete nicht. Heidrun schlug die Hände vors Gesicht und heulte hemmungslos.
*
Es war Sonntag.
Heidrun hatte mit Desider vereinbart, dass er sie anrufen würde, wenn es seine häuslichen Umstände zuließen, was so viel hieß wie: „Wenn ich meiner Familie entkommen kann.“ Heidrun respektierte das, sie stellte keine besonderen Forderungen, sie war sich der Kompliziertheit ihres Verhältnisses wohl bewusst. Es war früher Nachmittag, einer jener Nachmittage, die langweilig grau über der Stadt lagen, an denen die alten Paare pflichtgemäß - aber schweigend - ihren gewohnten Sonntagsspaziergang absolvierten und die jungen - verliebt schweigend, aber in Gedanken - der letzten Nacht nachhingen. Heidrun fühlte sich einsam. Sie rief Solveigh an, die sich über eine Einladung zum Tee freute.
„Ich habe heute schon so viel geschuftet, da komme ich gerne, und ich nehme auch Alexandra mit, wenn´s recht ist.“
Alexandra schaute ihrer Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten ähnlich: Das herzförmige Gesicht, die grünen Katzenaugen und das blonde Haar - nur dass das Kind mit einem hübschen Lockenköpfchen aufwarten konnte.
„Der Struwwelpeterlook wird später noch kommen“, dachte Heidrun und strich dem Mädchen über ihre zarten Locken. Solveigh strahlte vor Mutterglück.
„Weißt du was von Romana?“, fragte Solveigh wie beiläufig und griff nach einem Kuchenstück.
„Sie liegt noch immer im St. Elisabeth, auf der Psychiatrie. Dort hoffen sie, ihr Suchtproblem in den Griff zu bekommen.“
„Mein Gott, wie´s nur so weit kommen kann“, meinte die junge Freundin und Heidrun antwortete ohne zu zögern: „Keine Disziplin, kein Verantwortungsgefühl und die Folgen einer falschen Erziehung.“
Solveigh schaute Heidrun verblüfft an. „Wie das? Meinst du das im Ernst?“
„Weißt du, das war immer unser - eigentlich mein - Problem.“ Heidrun unterbrach sich, atmete kurz, aber heftig durch und fuhr fort: „Ich wollte alles besser machen ohne Mann; ich habe den Kindern die doppelte Liebe angedeihen lassen, ich habe sie doppelt verwöhnt, ich habe sie doppelt bemuttert. Glaub mir, das funktioniert nicht.“ Heidrun nahm einen Schluck Tee und schaute Solveigh über den Tassenrand an. „Man kann nicht doppelt lieben, doppelt geben, doppelt verwöhnen. Einmal reicht vollkommen aus. Und den Vater konnte ich ihnen ohnedies nicht ersetzen, oder gehst du mit deinem Kind zum Gokartrennen? Kletterst du mit ihm auf Bäume oder bastelst du einen Drachen oder eine Steinschleuder? Von Gesprächen unter Männern, zwischen Vater und Sohn, will ich gar nicht erst reden.“
Solveigh nickte, sie hatte Heidrun verstanden.
„Komm, Alexandra, komm mit mir, ich hab´ was für dich“, lockte sie Heidrun von der Mutter weg. In ihrem Schlafzimmer hatte Heidrun einen kleinen Schatz versteckt, den es augenblicklich zu heben gab. Eine schwarze Lederkassette lag, unter Zeitschriften gut verborgen, in ihrem Nachtkästchen. Heidrun öffnete sie sorgfältig und Alexandra guckte neugierig und mit großen Augen in die geheimnisvolle Schachtel. Vorsichtig hob Heidrun ein silbernes Kettchen heraus, an dem wundersame Dinge baumelten.
„Ah, ist das schön!“, staunte die Kleine und griff zaghaft nach dem Schatz, den ihr Heidrun entgegen hielt. „Was ist das?“
„Das ist ein Bettelarmband, und wenn du es möchtest, dann schenke ich es dir.“ Die beiden ließen sich auf Heidruns Bett nieder und Heidrun erzählte dem Mädchen wunderbare Geschichten über den ausgegrabenen Schatz. Fasziniert ließ Alexandra ein Glied nach dem anderen durch ihre Finger gleiten.
„Schau, den Glücksklee habe ich einmal von meinem großen Bruder erhalten und den Fliegenpilz von einer Freundin. Und hier, schau, die rote Rose, die habe ich von einem Freund bekommen, nachdem er mich zum ersten Mal geküsst hat.“
Solveigh trat auf leisen Sohlen ins Schlafzimmer. „Was stellt denn ihr hier an?“, fragte sie belustigt, als sie die beiden fröhlich plaudernd am Bettrand sitzend, vorfand.
„Mama schau, was ich von
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