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Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Titel: Rache verjährt nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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in jungen Jahren hatte Pippa Nutbrown selbst in Momenten größten Vergnügens stets leicht unzufrieden gewirkt, als könnte der Pfirsich, den sie aß, saftiger sein, oder die Musik, die sie hörte, besser gespielt werden, oder der Sex, den sie genoss, ekstatischer sein. Aber jugendliche Schönheit, guter Teint und eine lebhafte Art hatten diesen Eindruck überspielt oder die Männer in ihrem Leben dazu inspiriert, es beim nächsten Mal besser machen zu wollen.
    Jetzt jedoch hatte die Zeit, die ihr Haus immer schöner hatte werden lassen, bei Pippa lediglich alles andere erodiert, so dass sie inzwischen permanent und unverkennbar unzufrieden aussah.
    »Toby«, sagte sie kühl. »Wir haben schon gegessen. Mach dir keine Hoffnungen auf einen Lunch.«
    »Kein Mann denkt an Essen, wenn er sich an deiner Schönheit weiden kann«, sagte er.
    »Wenn mir nach nichtssagendem Geplapper zumute wäre, würde ich mir einen Papagei zulegen«, entgegnete sie.
    Sie wandte sich ab, und er folgte ihr ins Haus.
    Ihr Hintern, wie er mit Kennerauge bemerkte, war das einzige Merkmal an ihr, das sich mit dem Alter verbessert hatte. Früher war er für seinen Geschmack eine Spur zu eckig gewesen, doch nun hatte er sich zu einer Sattelform verbreitert, die einer Weltklassespringreiterin zu Ehren gereicht hätte. Vielleicht sollte man sich ihr so annähern. Er hatte Pippa in ihrer gemeinsamen Jugend von vorne gekostet, war aber nie versucht gewesen, das Experiment zu wiederholen. Er sah gern seine eigene Verzückung in den Augen der Frauen, die er vögelte, widergespiegelt, nicht ein Paar Kampfrichtertafeln, die ihm seine Punktzahl signalisierten.
    Aber sie hatte andere Vorzüge, zu denen das völlige Fehlen eines moralischen Empfindens ebenso zählte wie die nahezu absolute Kontrolle, die sie über ihren Mann hatte. Andernfalls hätte sie ihn wohl kaum überreden können, Poynters zum Verkauf anzubieten.
    Sie stieß die Tür zu einem kleinen Wohnzimmer auf und sagte: »Johnny, Toby ist da.«
    Johnny Nutbrown saß schlaff auf einem riesigen Sofa, das eine halbe Rinderherde die Haut gekostet haben musste. Er war dabei, ein Stück Pastete zu essen, vermutlich den Rest von dem Lunch, auf den Estover sich laut Pippa keine Hoffnungen machen sollte.
    »Toby!«, sagte er. »Großartig, alter Knabe. Schön, dich zu sehen.«
    Sein Enthusiasmus war nicht überzeugend. Estover kannte ihn lange genug, um zu vermuten, dass Nutbrowns Begrüßung wahrscheinlich ebenso ausgefallen wäre, wenn Adolf Hitler persönlich im Stechschritt hereinmarschiert gekommen wäre.
    »Dito«, sagte er. »Du bist in letzter Zeit schwer zu erwischen. Genauer gesagt, ihr beide seid irgendwie ziemlich unerreichbar.«
    Die Nutbrowns wechselten einen Blick, seiner war fragend, ihrer warnend.
    »Viel um die Ohren«, sagte Johnny. »Setz dich doch, probier mal den Rotwein. Pippa, hol dem Mann ein Glas. Und gleich eins für dich mit.«
    Pippa tat wie geheißen. Ihr Ehemann nahm die Weinfleische, die neben ihm auf dem Tisch stand, und goss ein.
    »Zum Wohl«, sagte er.
    Sie tranken, Nutbrown einen kräftigen Schluck, Estover nippte nur am Glas, Pippa benetzte kaum die Lippen.
    »Mir war gar nicht klar, dass ihr umziehen wollt«, sagte Estover.
    Pippa antwortete nicht, sondern richtete den Blick wie eine Fernbedienung auf ihren Mann.
    »Ach, du weißt ja, wie das ist«, sagte Johnny. »Die Knochen werden älter, englische Winter und so weiter. Da kann man gleich mit Sack und Pack umziehen, anstatt immer alles zusammenzupacken, was man für ein paar Monate in der Sonne braucht.«
    Er leierte das runter wie ein Schuljunge, der eine auswendig gelernte Formel wiederholt.
    »Dann geht ihr also ins Ausland?«
    Pippa sagte: »Kalifornien. Wir fühlen uns da wohl.«
    »Sehr schön.« Er stellte sein Glas ab. »Und die Amerikaner sind ja so pingelig, wen sie reinlassen und wen nicht. Ein Fehltritt und schon bist du draußen.«
    »Richtig«, sagte Pippa. »Hast du damit ein Problem, Toby?«
    »Keineswegs. Oh, übrigens, ich hab eine interessante Weihnachtskarte ins Büro bekommen. Hab mich gefragt, ob ihr auch eine bekommen habt.«
    Er zog die Karte aus der Tasche.
    Pippa warf nur einen kurzen Blick darauf und sagte dann: »Ja, haben wir.«
    Johnny sagte: »Tatsache? Kann mich gar nicht erinnern. Schönes Bild jedenfalls. Ich bin sicher, das hab ich schon mal irgendwo gesehen.«
    Estover sah Pippa an und zog die Augenbrauen hoch.
    Es klingelte an der Haustür.
    Sie rührte sich nicht. Ihr Mann

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