Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Titel: Rache verjährt nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
Vom Netzwerk:
Briefumschlag, den er ihr in die Hand gedrückt hatte. Unbeschriftet. Sie machte ihn auf. Geldscheine, benutzt, nicht durchnummeriert. Großzügig, aber ohne ein Wort des Dankes. Es wäre schon paradox gewesen, wenn Estover sich ausgerechnet dieses Jahr zu einer persönlicheren Geste durchgerungen hätte, aber ebenso, wie sie sich in den zweieinhalb Jahren, die sie für ihn arbeitete, daran gewöhnt hatte, dass intime Plaudereien mit ihm nicht möglich waren, hatte sie auch diesmal nichts anderes erwartet. Daran zeigte sich das Ausmaß seines Vertrauens zu ihr.
    Sie griff zum Telefon und wählte.
    »Hi, Mr Murray«, sagte sie. »Morag hier. Er hat die Karte gesehen und ist gleich los. Ich glaube, er will zu Mr Nutbrown.«
    »Gut gemacht«, sagte eine Stimme in schottischem Tonfall.
    Ihre gemeinsame Herkunft hatte es zweifellos einfacher gemacht, das Angebot des Mannes zu akzeptieren, obwohl sie sich selbst einredete, dass sie ihren Boss nie im Leben verraten hätte, wenn er beim Sex mit ihr je auch nur den Hauch einer emotionalen Bindung hätte durchblicken lassen. Aber Estover hatte ihr nie irgendetwas anderes gegeben als Geld, und zu was machte sie das? Nun, sie wollte nicht darüber nachdenken, zu was sie das machte, aber es machte sie jedenfalls nicht loyal, so viel war sicher.
    Sie schob den Umschlag in ihre Handtasche und verdrängte jeden Gedanken an Toby Estover. Weihnachten stand vor der Tür, und die Oxford Street mit ihren schicken Geschäften lag gleich um die Ecke. Und mit ihrem Bonus und der Spende ihres neuen schottischen Bekannten konnte sie sich beidem nach Herzenslust widmen.

13
    Toby Estover neigte nicht zu Hirngespinsten, und bis auf ein paar Fragmente römischen Rechts hatte er seine klassische Bildung schon längst vergessen, aber als er seinen Lexus aus der düsteren Tiefgarage in das gleißende Wintersonnenlicht steuerte, kam ihm der Gedanke, dass es sich so anfühlen musste, wenn man aus dem Hades auftauchte.
    Obwohl der Londoner Verkehr jetzt, da die modernen Saturnalien ihrem Höhepunkt entgegenjagten, bloß eine andere Form der Hölle war. Während er langsam Richtung Norden rollte, war er versucht, sein Vorhaben aufzugeben und Johnny vom Autotelefon aus anzurufen. Aber das hatte er in letzter Zeit schon mehrfach versucht, rief er sich in Erinnerung. Ihn beschlich das ungute Gefühl, dass Pippa Nutbrown für die beiden einen Alleingang plante, obwohl er sie beschworen hatte, dass sie alles, was sie taten, gemeinsam tun müssten. Er brauchte Gewissheit.
    Schließlich bog er mit großer Erleichterung auf die M11. Auch hier herrschte reger Verkehr, aber zumindest hatte er nun vierzig Meilen weit den Fuß öfter auf dem Gaspedal als auf der Bremse, bis er die Ausfahrt nach Saffron Walden nahm.
    Sein Ziel, Johnny Nutbrowns Landsitz Poynters, war selbst für einen häufigen Besucher nicht leicht zu finden, und jetzt fuhr Estover absichtlich langsam, um bloß nicht die unscheinbare Seitenstraße zu verpassen, die ihn schließlich zu einem alten Steintor führte, das den Eingang zum Grundstück markierte.
    »Ach nee, ach nee, ach nee«, murmelte er und hielt an.
    Neben dem Tor stand ein Schild mit der Aufschrift ZU VERKAUFEN.
    Er saß da und starrte darauf. Die Maklerfirma war Skinners in Mayfair. Er kannte sie. Sie waren auf Luxuslandsitze spezialisiert. Behaupteten, stets Höchstpreise zu erzielen. Das war auch gut so, weil sie nämlich auch die höchste Provision einstrichen.
    Als er die Einfahrt hoch auf das Haus zufuhr, dachte er, dass es sich fast von allein verkaufen würde. Warmer roter Backstein im unteren Bereich, darüber schwarzes Fachwerk auf blendend weißem Putz, keines dieser weitläufigen Tudor-Herrenhäuser, sondern relativ klein, aber perfekt geformt, das Ganze in strahlendes Wintersonnenlicht getaucht, das entweder gnadenlos jeden Makel offenbart oder aber, wie in diesem Fall, jedes vollkommene Detail der Linien und Konturen betont. Der unerreichbare Traum fast jeden Engländers von einem Haus auf dem Land war hier Wirklichkeit geworden.
    Estover wusste, wie sehr Johnny das Haus liebte. Weswegen das Verkaufsschild umso beunruhigender war.
    Er parkte den Wagen und zog an der alten Klingelschnur neben der fast quadratischen Haustür.
    Nach wenigen Minuten öffnete eine Frau, die ihn spürbar ohne Begeisterung ansah.
    »Pippa«, sagte Estover lächelnd. »Das Haus sieht so toll aus, dass ich glatt versucht wäre, es selbst zu kaufen, wenn es mich aufs Land ziehen würde.«
    Schon

Weitere Kostenlose Bücher