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Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Titel: Rache verjährt nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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ihr Zimmer käme und es auch bemerkte.
    Sie packte alles aus. Während sie ihre Sachen in den Schrank hängte, musste sie immer wieder an die Kiste denken. Sollte sie sie öffnen oder nicht? Er hatte es ihr mehr oder weniger erlaubt. Mehr oder weniger. Jedenfalls bestand kein Grund, zuzugeben, dass sie sie aufgemacht hatte. Es sei denn, er könnte irgendwie merken, dass die Kiste angefasst worden war, irgendein kleiner Trick, den er im Gefängnis gelernt hatte, ein Haar auf dem Deckel zum Beispiel …
    Das ist doch albern, sagte sie sich. Mach das Ding auf, und wenn er fragt, gib es zu.
    Sie kniete sich neben dem Bett auf den Boden, griff darunter und zog die Kiste vor.
    Sie schabte über die Dielenbretter.
    Vor ihrem geistigen Auge sah sie Hadda genau darunter stehen, nach oben schauen und schmunzeln.
    Sie drehte den Schlüssel um und hob den Deckel an.
    Da lagen die Geldscheinbündel, so wie Hollins sie beschrieben hatte. Aber obendrauf lag auch ein Zettel.
    Auf dem stand: Ihr Tee wird kalt .
    Das Spiel ist also eröffnet, dachte sie.
    Sie hatte nichts dagegen. Er mochte ja denken, dass er in solchen Spielchen gut war, aber Alva hatte sie sich zum Beruf gemacht.
    Sie schloss die Kiste und ging nach unten.

12
    Nachmittags um halb drei war Toby Estover nicht damit beschäftigt gewesen, seine Sekretärin auf dem frei geräumten Schreibtisch zu bumsen, wie seine Frau vermutet hatte.
    Das hatte er schon am späten Vormittag erledigt, kurz nach seiner Ankunft im Büro. In den Jahren seit seiner Hochzeit hatte er unaufhaltsam zugenommen, und jetzt betonten die eleganten Anzüge nicht mehr seine jugendliche Figur, sondern waren so geschnitten, dass sie die Leibesfülle eines Mannes im mittleren Alter kaschierten. Zudem war bei ihm eine leichte Herzschwäche diagnostiziert worden, die zur Folge hatte, dass er nach dem Koitus etwas kurzatmiger wurde, als seinem Arzt lieb war, und das, obwohl seine Sekretärin Morag Gray, eine zuvorkommende junge Schottin, dafür sorgte, dass er kaum mehr tun musste, als sich zurückzulehnen und an England zu denken (dem übrigens auch gerade leicht die Puste ausging, weil es im Finalspiel im fernen Mumbai eine ordentliche Abreibung verpasst bekam).
    Nach einer längeren Ruhepause, eher sabotiert als gefördert von etlichen Tassen starken Kaffees, die seinem Blutdruck nicht gerade guttaten, hatte er Morag gefragt, ob in der morgendlichen Post irgendetwas dabei gewesen war, das seine sofortige Aufmerksamkeit erforderte, bevor er in den Weihnachtsurlaub aufbrach.
    Sie antwortete: »Eigentlich nicht. Bloß ein paar Weihnachtskarten.«
    Sie verteilte sie auf seinem Schreibtisch. Er machte eine abfällige Handbewegung, und sie begann, die Karten wieder zusammenzuschieben. Doch dann streckte er den Arm aus, zog eine von ihnen mit der Spitze des Zeigefingers zu sich heran und winkte den Rest ungeduldig weg.
    Morag beobachtete ihn neugierig, während er die Karte eingehend studierte.
    Ihr war schleierhaft, was die Karte mit Weihnachten zu tun haben sollte. Sie zeigte einen großen Mann, der einen Schlapphut und eine Art Overall trug. Seine rechte Hand ruhte auf dem Schaft einer langen Holzfälleraxt, und er stand auf einer Anhöhe mit Blick über eine gebirgige Landschaft. Der Himmel war tief mit dunklen Wolken verhangen. Das Ganze war in Blau- und Brauntönen gehalten. Der einzige leuchtende Farbtupfer war der rote Rand entlang der Axtschneide.
    Jetzt nahm Estover die Karte in die Hand und öffnete sie. Da stand in fetter roter Schrift eine Widmung:
    Mögest Du fröhliche Weihnachten feiern
    und das neue Jahr Dir alles bringen, was Du verdienst.
    Eine Unterschrift fehlte.
    Estover sagte: »Wo ist der Umschlag?«
    »Geschreddert«, sagte sie. »Warum?«
    »Nur so. Versuchen Sie, Mr Nutbrown ans Telefon zu bekommen … nein, wenn ich’s mir recht überlege, vergessen Sie’s. Manches sagt man besser von Angesicht zu Angesicht.«
    »Oh ja, ich weiß, was Sie meinen«, flüsterte sie.
    Er sah sie verständnislos an. Ganz wie du willst, dachte Morag. Ihr Chef hielt nichts von sexy Small Talk. Das wusste sie, aber sie war im Grunde ein liebes Ding und versuchte es immer wieder.
    Er stand auf und schob die Karte in seine Innentasche, während er zur Tür ging.
    Irgendetwas steckte schon darin, und er zog es heraus. Er stockte, drehte sich um und sagte: »Hätte ich fast vergessen. Fröhliche Weihnachten, Morag. Und guten Rutsch.«
    Als er weg war, betrachtete Morag den schlichten gelbbraunen

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