Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)
dass alles, was in Parkleigh gesagt wird, mitgehört wird.«
»Ach ja?«
»Und ich denke, dass Sie denselben Eindruck haben.«
»Mag sein.«
»Und ich denke, dass das der Grund für den Streit zwischen meinem Vorgänger und dem Direktor war, von dem Sie mir erzählt haben.«
»Gut möglich.«
»Himmelherrgott, George«, sagte Alva aufgebracht. »Wollen Sie so weitermachen, bis wir beide erfroren sind? Ich spreche mit Ihnen, weil die einzige Alternative die wäre, Mr Homewood deshalb zur Rede zu stellen.«
»Das würde ich an Ihrer Stelle lieber nicht tun, Miss«, sagte Proctor erschrocken.
»Warum nicht?«
Er betrachtete sie prüfend, dann zuckte er die Achseln, als hätte er nach Alternativen gesucht und keine gefunden.
»Hören Sie«, sagte er. »Ich weiß gar nichts, ich hab bloß schon seit geraumer Zeit bei Gesprächen mit dem Direktor immer mal wieder das Gefühl, dass er Sachen weiß, ehe ich sie ihm erzähle, oder die ich ihm gar nicht erzählt habe! Ich hab ein paar kleine Tests gemacht und leider feststellen müssen, dass mein Gefühl mich nicht getrogen hat. Ich vermute, sie haben Parkleigh bei der Renovierung mit einem Allroundabhörsystem ausgestattet. Es gibt überhaupt keine Privatsphäre. Alles, was man irgendwo sagt, wird abgehört. Also dreh ich in meinem Büro das Radio auf. Oder ich gehe vors Haupttor, wenn ich mal ungestört sein will.«
Danach hatte Alva gefragt, das hatte sie erwartet. Dennoch war Proctors schonungslose Bestätigung ihres Verdachts für sie ein Schock.
»Aber warum?«, wollte sie wissen, obwohl sie sich die Antwort denken konnte.
»Überlegen Sie doch mal, wer so alles in Parkleigh einsitzt. Politische, Terroristen, Betrüger im ganz großen Stil, Serienmörder. Wenn man mithört, was die so alles reden, mit ihren Anwälten, ihren Besuchern, am Telefon, im Hof, egal wo, überall – stellen Sie sich bloß mal vor, wie interessant das sein könnte. Alle meinen, wer nach Parkleigh muss, könnte auch gleich in einen altmodischen Kerker gesteckt werden. Aber in Wahrheit ist es ein topmoderner Horchposten!«
»Sie haben offensichtlich viel darüber nachgedacht, George. Aber Sie haben vermutlich nie was gesagt, oder?«
»Ich? Niemals! Ich bin nicht so blöd, wie ich aussehe, hat meine alte Oma immer gesagt.«
»Aber Sie haben mit mir geredet. Ein bisschen durch die Blume, zugegeben. Aber Sie haben es mir signalisiert. Warum also?«
Proctor schlug die Arme gegen den Körper, um die Kälte zu vertreiben, und sagte: »Vielleicht werde ich auf meine alten Tage weich. Es war einfach so, wenn ich Sie mit Mr Homewood gesehen hab, kam es mir so vor, als wären Sie ein bisschen zu ihm auf Distanz gegangen. Im Vergleich zu Ihrer ersten Zeit in Parkleigh. Ich kann’s nicht genau benennen, aber wenn Sie mit ihm geredet haben, waren Sie manchmal irgendwie zurückhaltend, als würden Sie ihm nicht so richtig trauen. Und umgekehrt war es auch so. Und der einzige Grund, den ich mir dafür denken konnte, war der, dass Sie mitgekriegt hatten, dass er Dinge wusste, die er eigentlich nicht wissen konnte, persönliches vertrauliches Zeugs, das die Gefangenen Ihnen erzählen.«
Das stimmte. Aber doch erst seit Kurzem.
Alva glaubte, sich erklären zu können, was passiert war. Nachdem ihr Anzeichen dafür aufgefallen waren, Homewood könnte scharf auf sie sein, hatte sie im Umgang mit ihm größere Vorsicht walten lassen. Doch der hellsichtige Chief Officer Proctor, dessen Sensoren durch den lebenslangen Umgang mit gewalttätigen Männern, deren Stimmungsschwankungen eine Frage von Leben und Tod sein konnten, hoch empfindlich waren, hatte das gespürt. Gespürt und fehlinterpretiert.
Besonders verstörend fand sie, dass dieser vernünftige, bodenständige, altgediente Officer lieber hier draußen im eisigen Nieselregen stehen blieb, als das Risiko einzugehen, sich mit ihr in seinem Wagen zu unterhalten. Oder auch in ihrem. Ein schwerer Fall von Paranoia? Sie sah den Mann an, der da vor ihr stand, und wünschte, sie könnte das glauben.
Sie sagte: »Sie haben gesagt, die Haltung des Direktors mir gegenüber hätte sich ebenfalls verändert. Wie kommen Sie darauf?«
»Wieder nur Kleinigkeiten. Ich finde, er ist irgendwie schroffer zu Ihnen geworden.«
Proctor hatte also ebenso wie sie bemerkt, dass Homewood, wohl um gegen die Anziehung, die er für sie empfand, anzukämpfen, übertrieben deutlich zu machen versuchte, dass sie bloß eine Mitarbeiterin wie alle anderen auch war.
Aber
Weitere Kostenlose Bücher