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Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Titel: Rache verjährt nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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trotzte, hatte er allerdings nicht ein einziges Mal zu verhindern oder zu stören versucht.
    Nach einem Jahr in ihrem Job hätte sie nicht sagen können, wie viel Gutes sie bei den Mördern und Terroristen bewirkt hatte, aber was Hadda betraf, so hatte sie das Gefühl, keinen Schritt weitergekommen zu sein. Man brachte ihn zu den Sitzungen mit ihr, aber er weigerte sich strikt zu reden. Nach einer Weile gestand sie sich ein, dass ihr anfänglicher Unmut, weil ihr Vorgänger, wie sie fand, zu früh das Handtuch geworfen hatte, allmählich in widerstrebendes Verständnis umschlug.
    Und dann wurde sie eines Morgens, als sie gerade zur Arbeit kam, zum Direktor gerufen.
    »Eine schreckliche Nachricht«, sagte er. »Es geht um Haddas Tochter. Sie ist tot.«
    Alva kannte die Akte des Mannes in- und auswendig und musste sich die Fakten nicht erst in Erinnerung rufen. Die Tochter, Virginia, war dreizehn gewesen, als ihr Vater verurteilt wurde. Sie hatte ihn nie im Gefängnis besucht. Die ein- und ausgehende Post der Häftlinge wurde gründlich überprüft. In der ersten Zeit hatte er ihr Briefe an die Adresse seiner Exfrau geschrieben. Soweit bekannt war, hatte er nie eine Antwort erhalten, bis auch er schreibfauler wurde und ihr schließlich nur noch Geburtstags- und Weihnachtskarten schickte.
    Wie Joe Ruskin vermerkt hatte, vereitelte Hadda jeden Versuch, das Gespräch auf seine Beziehung zu Virginia zu bringen, indem er aufstand und zur Tür ging. Trauer oder Schuldgefühle?, hatte der Psychiater spekuliert. Haddas Vorliebe für pubertierende Mädchen hatte besonders sensationslüsterne Boulevardblätter zu der Frage veranlasst, ob er seine Tochter vielleicht missbraucht hatte, aber dafür hatten sich weder bei den polizeilichen Ermittlungen noch bei der Gerichtsverhandlung irgendwelche Anhaltspunkte ergeben. Ruskin hatte Einsicht in sämtliche Unterlagen verlangt, die Aufschluss über den geistigen Zustand und die Straftaten des Mannes geben konnten, hatte aber nirgendwo auch nur einen Hinweis darauf gefunden, dass zum Schutz des Kindes irgendetwas verschwiegen worden war.
    Jetzt erzählte der Direktor, wie es für Ginny nach dem Sturz ihres Vaters weitergegangen war.
    »Ihre Mutter hat sie nach Paris geschickt, um sie vor den Nachstellungen der Presse zu schützen; sie sollte dort die Schule abschließen. Die Großmutter, das ist Lady Kira Ulphingstone, hat dort Verwandte, bei denen das Mädchen anscheinend gewohnt hat. Nach allem, was man so hört, soll sie ganz schön wild gewesen sein.«
    »Kein Wunder, bei ihrer Familiengeschichte«, sagte Alva. »Wie ist sie gestorben?«
    »Schlimm«, sagte der Direktor. »Sie war auf einer Party in der Wohnung einer Freundin, Drogen, Sex, das Übliche. Man hat sie heute bei Tagesanbruch in einer Gasse hinter dem Apartmenthaus gefunden. Alkoholvergiftung, am eigenen Erbrochenen erstickt. Neunzehn Jahre alt. Was für eine Verschwendung! Alva, er muss es erfahren. Das ist meine Aufgabe, ich weiß, aber ich möchte, dass Sie dabei sind.«
    Sie hatte Haddas Gesicht beobachtet, als er die Nachricht hörte. Es hatte keine Reaktion gezeigt, die eine Kamera hätte festhalten können, aber sie hatte eine Reaktion gespürt, so wie man die Druckveränderung spürt, wenn ein Flugzeug in den Landeanflug geht, und dann schluckt man, und das Gefühl ist weg.
    Er hatte seine Sonnenbrille nicht getragen, und sein einäugiger Blick hatte sie einen Moment lang fixiert. Anders als bei all den stummen Begegnungen mit ihm spürte sie zum ersten Mal, dass er ihre Anwesenheit registrierte.
    Dann hatte er ihnen den Rücken zugewandt und war so stehen geblieben, bis der Direktor dem wartenden Officer zunickte, der daraufhin die Tür öffnete und den Häftling hinauseskortierte.
    »Ich lasse ihn rund um die Uhr beobachten«, sagte der Direktor. »Das ist unter solchen Umständen das übliche Prozedere.«
    »Natürlich«, sagte sie. »Das übliche Prozedere.«
    Er musterte sie interessiert.
    »Halten Sie ihn nicht für gefährdet?«
    »Eine Gefahr für sich selbst, meinen Sie? Nein. Aber irgendeine Form der Reaktion wird kommen.«
    Sie kam, aber die Form überraschte sie dann doch.
    Er fing an zu reden.
    Das heißt, er fing zumindest an, auf ihre Fragen zu antworten. Er war stets reaktiv, nie proaktiv. Nur einmal stellte er eine Frage.
    Er blickte hoch zu der Überwachungskamera im Gesprächsraum und sagte: »Können die uns hören?«
    Sie erwiderte: »Nein. Wie ich Ihnen bei unserer ersten Begegnung erklärt

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